Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 55. Sitzung / Seite 102

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ihrer Richtlinie betreffend Mindestnormen für die Aufnahme von AsylwerberInnen genau das festgeschrieben. Im Februar 2005, also in knapp einem Jahr, muss Öster­reich – mit welchen Mentalreservationen so manche auch immer – diese Richtlinie umsetzen. Das ist der Punkt, warum es auch seit Jahren die Verhandlungen um die Artikel-15a-Vereinbarung gegeben hat. Artikel-15a-Vereinbarung heißt eigentlich nichts anderes als: Der Bund hat eine Verantwortung, will diese Verantwortung mit den Ländern teilen und macht dazu einen Vertrag. – Herr Minister! Das haben Sie, wenn man so will, erfolgreich zu Stande gebracht.

Die Wertschätzung gegenüber diesem Erfolg der Verhandlungen, wie auch immer die Motive der einzelnen Teilnehmer waren, haben wir versucht, zum Ausdruck zu bringen, indem wir letzten Donnerstag bei den Beratungen des Innenausschusses – für Sie vielleicht überraschend, auch für andere vielleicht überraschend – dieser Artikel-15a-Vereinbarung zugestimmt haben, ohne uns mit Kritik an der Ausgestaltung der Artikel-15a-Vereinbarung zurückzuhalten. Frau Kollegin Weinzinger und ich waren im Aus­schuss. Ich habe versucht, Ihnen bis ins kleinste Detail diese Artikel-15a-Vereinbarung zu skizzieren und zu erklären, wie zum Teil lebensfremd und an den Bedürfnissen vor­bei diese Artikel-15a-Vereinbarung geht.

Ich erkläre den Kolleginnen und Kollegen, die sich nicht damit beschäftigt haben, nur ein Detail: In dieser Vereinbarung steht, dass ein Minderjähriger, der mittellos ist – mit­tellos heißt, er kann sich nichts kaufen, weil er nichts hat –, von der Republik pro Tag 2,60 € Unterstützung für Essen erhält. 2,60 €! Das gilt? (Abg. Öllinger: Da ist nicht ein­mal eine Fuhrmann-Wurstsemmel drin!) Frau Fuhrmann ist jetzt nicht da, aber vielleicht erfährt sie es trotzdem. Es sind exakt 2,62 € pro Tag, wenn man das auf den Monat rechnet. Und das gilt für den neugeborenen Säugling genauso wie für den jugendlichen Minderjährigen im Alter von 18 Jahren.

Meine Damen und Herren! Sind Kolleginnen und Kollegen unter Ihnen, die einen halb­wüchsigen Sohn oder eine halbwüchsige Tochter haben, vor allem einen Sohn? Haben Sie eine Vorstellung davon, was ein 17-Jähriger am Tag zu essen imstande ist? Haben Sie eine Vorstellung, ob man da mit 2,60 € auskommen kann? – Nein, das kann man nicht, aber genau das wird von österreichischen AsylwerberInnen in der 15a-Vereinba­rung verlangt, und das sind Höchstsätze, die hier festgeschrieben sind, meine Damen und Herren!

Ich könnte jetzt meine Kritik an der Artikel-15a-Vereinbarung mit etlichen Details fort­setzen, konzentriere mich aber auf jenen Punkt, der wesentlich ist, nämlich auf jenen, den ich Ihnen eingangs geschildert habe. Das Wort des Innenministers ist manchmal etwas wert, manchmal gibt es berechtigte Zweifel daran, ob es tatsächlich so ist (Bundesminister Dr. Strasser: Wo?), aber ich möchte mich als Bürgerin dieses Landes nicht und schon gar nicht als obdachloser mittelloser Asylwerber oder obdachlose mittellose Asylwerberin auf das Wort des Innenministers verlassen müssen, sondern möchte das Recht, den Rechtsanspruch, den die EU vorsieht, auch durchsetzen können.

Genau diese Rechtsdurchsetzung fehlt in diesen Vereinbarungen und speziell in der Artikel-15a-Vereinbarung. Im Gegenteil: Man hat, ohne dass es notwendig wäre, weil man es in der Form der Artikel-15a-Vereinbarung nicht festlegen kann, auch noch hin­eingeschrieben: Aber es entsteht einem Fremden kein Rechtsanspruch aus dieser An­gelegenheit. – Gut, es entsteht ihm aus der Vereinbarung kein Rechtsanspruch. Aber, Herr Bundesminister: Diese Vereinbarungen, diese politischen Verhandlungen sollten dazu führen, dass genau das gewährleistet ist, wofür wir – Sie vielleicht mit uns –, alle Betreuungseinrichtungen und all jene, die mit dem Leid von AsylwerberInnen in diesem Land befasst sind, eingetreten sind, nämlich einen durchsetzbaren Rechtsanspruch auf eine Mindestgrundversorgung, den alle haben wollen.

 


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