Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 59. Sitzung / Seite 72

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Vielleicht noch ganz kurz zu diesem Frauenbild und Rollenmodell, das uns die Regierung anbietet, weil das so schön zum Ausdruck kommt mit den Blümchen, die heute verteilt wurden: Erstens einmal sind es Vergissmeinnicht – in der Sprache der Blumen die Aufforderung zur Bescheidenheit und zum unauffälligen Leben. Ist es das, was Sie den Frauen sagen wollen? (Abg. Großruck: Aber nein! Das ist Ihre Inter­pretation!)

Zweitens gibt es ein Zettelchen dazu, das die FPÖ mit verteilt hat, das mir wirklich zu denken gibt. Da steht drauf: „Wir denken am Muttertag an alle Frauen“. – Also erstens einmal sehe ich das hier herinnen nicht ganz so, und zweitens rätsle ich seit einiger Zeit, ob Vizekanzler Gorbach jetzt unter die Kategorie „Mutter“ oder unter die Kategorie „Frau“ fällt. (Heiterkeit bei den Grünen und der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Jedenfalls aber halte ich das für eine Botschaft, die einigermaßen skurril ist. Wenn Sie an alle Frauen und die gesellschaftliche Leistung, die wirtschaftliche Leistung der Frauen, die wissenschaftliche und wirtschaftliche Leistung der Frauen denken wollen, gibt es mindestens 365 Tage im Jahr, an denen Sie das tun könnten; und wenn Sie es nur an einem Tag machen wollen, bietet sich der Internationale Frauentag dafür irgendwie an. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Was haben Sie gegen den Muttertag? Haben Sie etwas gegen den Muttertag, Frau Kollegin?)

Ich würde durchaus dafür plädieren, den Muttertag den besonderen Leistungen der Mütter in der Gesellschaft zu reservieren und ihnen diesen besonders zu widmen und nicht wieder zu vermantschen, es sei denn, Ihre Botschaft meint mit dem Vergiss­meinnicht dazu: Liebe Frauen, wenn ihr noch nicht Mütter seid, habt ihr euren Bestimmungszweck verfehlt. Vergesst nicht darauf, Kinder zu bekommen! – War es das, was Sie sagen wollten? (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das ist wirklich nicht anzu­hören!)

Die einzige andere Interpretation, die es zu den Vergissmeinnicht heute noch gibt, wäre, dass das die selbstkritische Eigeneinschätzung der FPÖ zur österreichischen Parteienlandschaft ist: ein paar spärliche blaue Blüten im üppigen Grün! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Worauf Sie jedenfalls vergessen haben, sind die Fraueninteressen in der Steuerreform. Wir haben eine Unmenge an Frauen, die so wenig verdienen, dass sie sowieso schon keine Steuer zahlen, und die keine Entlastung von Ihnen bekommen in dieser Steuer­reform. Ganz im Gegenteil! Sie machen eine lineare Tarifreform. Wir wissen – nicht zuletzt auf Grund von Studien des Finanzministeriums –, dass Männer davon über­proportional profitieren. Es gibt Absetzbeträge – etwa das Pendlerpauschale –, von denen wir wissen, dass Männer überdurchschnittlich davon profitieren. Und es gibt ein so genanntes Familienpaket, mit dem Sie den Alleinverdienerabsetzbetrag um einen Kinderzuschlag erhöhen. De facto heißt das in Ihrem Rollenmodell: Wir geben Männern mehr Geld, wenn sie es schaffen, dass ihre Frau zu Hause bleibt und sich um Kinder, den Mann und den Haushalt kümmert. (Abg. Steibl: Da schauen Sie her! – Die Abgeordneten Steibl und Mag. Molterer halten Plakate in die Höhe, auf denen Berechnungen zur Steuerreform aufgelistet sind.) – Ist das Ihr zukunftsorientiertes Familienmodell? – Nein, danke! Es kann jedenfalls nicht Ihre Frauenpolitik sein. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Zu fordern wäre ein Frauenpaket in Ihrer Steuerreform und die gleiche Berück­sichtigung von Männern und Frauen, denn diese Steuerreform kann im Unterschied zu den Blümchen durchaus vergessen werden. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.29

 


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