Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 59. Sitzung / Seite 146

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Der Finanzminister, der in seiner Schulzeit auch Latein gehabt hat – das weiß ich genau! –, spricht somit unverschämt offen aus, dass es bei seiner Finanz- und Budgetpolitik, und das bezieht sich genauso auf diese Steuerreform, nicht um Sozial­politik, also nicht um eine Politik zum Wohle der Menschen geht, sondern ganz im Gegenteil!

Ich kann es Ihnen nicht ersparen: Glücklicherweise wurde Ihre abstruse Idee – und ich denke, Staatssekretär Finz war mit dabei – der Steueramnestie dank der Opposition und eines FPÖ-Ministers verhindert! (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Dem Finanzminister ging es nicht um soziale Gerechtigkeit und nicht um bessere Steuer­moral und Gerechtigkeit, sondern er wollte, ganz präzise gesagt, Steuerhinterziehung unterstützen und am Ende sogar noch belohnen. – Dass dieser Kelch an uns vorüber­gegangen ist, ist ein Glück für die Steuerpolitik in Österreich! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.) – Ich bespreche jetzt die Steueramnestie! Sie können sich ja zu Wort melden, Herr Staatssekretär!

Das dritte Kuriosum ist die Tatsache, dass Kollege Stummvoll von der ÖVP – wie gestern und heute auch viele andere – von einer Sensation gesprochen hat, dass über zwei Millionen Steuerpflichtige keine Steuer zahlen müssen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Mainoni.) Es ist dies eine sehr, sehr bedenkliche Sensation! Es geht dabei nämlich um die Tatsache, dass 2,2 Millionen erwerbstätige Menschen in Österreich so wenig verdienen, dass es gerade noch zum schlechten Überleben reicht, aber nicht mehr zum eigenberechtigten, selbständigen Leben! – Das ist eine Schande für die Republik Österreich und keine positive Sensation, wie Kollege Stummvoll es dargestellt hat! (Beifall bei der SPÖ.)

Tatsache ist aber auch, dass genau diese 43 Prozent der Menschen, die nicht ge­nü­gend verdienen, um qualitätvoll leben zu können, die volle Länge aller Gebühren­erhöhungen zahlen müssen, die diese Bundesregierung zu verantworten hat. Tatsache ist, dass der Kern dieser Reform einen unverhohlenen Lobbyismus im Sinne von Kapitalinteressen und Konzernen darstellt. Und ich erspare Ihnen auch nicht die Bemerkung, dass die 283 000 € an Sponsorgeldern der Industriellenvereinigung für den Finanzminister und die teuerste Homepage der Welt offensichtlich Wirkung gezeigt haben.

Tatsache ist auch – der Finanzminister ist nicht da, aber er weiß es, er muss es wissen, zumindest seine Eltern werden es ihm wohl gesagt haben –, dass Klein- und Mittelbetriebe nicht zu den Profiteuren gehören, sondern zu den Geschädigten. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Seine Familie hat nämlich einen Kleinbetrieb in Klagenfurt, in der Autobranche, und nicht aus Lust und Laune waren sie irgendwie genötigt, im Vorjahr diesen Betrieb – Vater Grasser hat es eine „friedliche Übernahme“ genannt – zu übergeben. Also auch seine Eltern wissen, welch negative Konsequen­zen diese Steuerpolitik auch für die kleinen und mittleren Unternehmen hat!

Letzter Punkt: Diese Reform bietet keinen steuerlichen Anreiz für Unternehmer, die Beschäftigung schaffen wollen. Sie bietet keinen steuerlichen Anreiz zur Entlastung des Faktors Arbeit.

Und wenn sich der Herr Arbeitsminister gestern rühmte, dass die Quote der erwerbs­tätigen Frauen auf 66 Prozent hinaufgegangen ist, dann hat er aber dabei verschwie­gen, dass es dabei nicht um Vollzeitarbeitsplätze und um Einkommen, die existenz­sichernd sind, geht, sondern um McJobs und die neue Selbständigkeit, die in Wirk­lichkeit Abhängigkeit bedeuten!

Wenn hier irgendjemand gemeint hat, es handle sich, wenn über die Betroffenheit von Frauen hinsichtlich der Steuerpolitik geredet wurde, um überzogene emanzipatorische Forderungen, dann sage ich Ihnen: Schämen Sie sich angesichts der Tatsache, dass


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