Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll61. Sitzung / Seite 37

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

Artikel überschrieben. Es ist ja insofern eine interessante Frage, als Großbritannien unter Margaret Thatcher als Vorreiter für den neoliberalen Kurs in Europa die ersten dramatischen Maßnahmen gesetzt hat, und insofern interessant, wie weit sich Österreich dem anschließt, was in vielen anderen europäischen Ländern durchaus mit vollzogen wird.

Wenn jetzt die europäische Verfassung diskutiert und dort auch die Frage gestellt wird, welche verbindlichen Regeln aufgestellt werden sollen, dann fällt natürlich auf, dass alles, was in den Bereich der Wirtschaftsunion fällt, fixiert werden soll, gesetzlich fest­gelegt werden soll, während alles, was in den Bereich der Beschäftigung und der Sozialunion fällt, allgemeine Appelle sind. Preisstabilität und Budgetkonsolidierung sind Ihnen in der Regierung wesentlich wichtiger als Vollbeschäftigung und Verteilungs­gerechtigkeit. (Beifall bei den Grünen.)

Zentrale Fragen, die typisch sind für den Neoliberalismus, werden auch von der öster­reichischen Regierung mitgetragen, zum Beispiel die Senkung der Steuern und Abgaben für das Großkapital, für große Unternehmen und Konzerne und zugleich eine Belastung, eine relative Belastung und manchmal auch eine absolute zusätzliche Belastung, der unteren Einkommensschichten.

Nur eine Zahl: Die Steigerung des Bruttoinlandsproduktes in der Euro-Zone hat 2003 0,6 Prozent betragen. Das heißt ein Wohlstandsgewinn, so könnte man sagen, von 0,6 Prozent. Das ist wenig, aber doch ein leichter Wohlstandsgewinn für die Euro-Zone. Das Wachstum bei den Gewinnen von Konzernen lag zum Teil über 30 Prozent. Es gibt ganz konkret eine Bank, die international agiert: 32 Prozent Gewinn. Da nehmen sich die 0,6, die so allgemein dargestellt werden, doch ein bissel mickrig aus. Man sieht eigentlich sehr genau, wohin das Geld geht: es wird von unten nach oben verteilt (Abg. Dr. Fekter: Das ist aber ein Blödsinn!), und das mit Ihrer Unterstützung in der Regierung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie haben – so wie auch Margaret Thatcher in Großbritannien – die Besteuerung der Unternehmensgewinne reduziert und auf der anderen Seite öffentliche Aufgaben privatisiert. Das ist ein weiterer Punkt in diesem neoliberalen Konzept, dass öffentliche Aufgaben als unproduktive Last, wie das Thatcher bezeichnet, gesehen werden.

Da muss man sich schon einmal fragen: Was sind denn diese öffentlichen Aufgaben, die immer als Last bezeichnet werden? – Das sind zum Beispiel Aufgaben der Bildung, auch Aufgaben der Wasser- und Energieversorgung, das ist die Aufgabe, den öf­fentlichen Verkehr in einer gewissen Qualität und flächendeckend aufrechtzu­erhalten.

Und Sie wollen, dass diese öffentlichen Aufgaben als unproduktive Last von der Öffentlichkeit sozusagen entsorgt und an Private, an Einzelne ausgelagert werden – und Sie tun das auch, wie auch am Beispiel der Pensionsreform zu sehen ist.

Das heißt, einerseits werden öffentliche Aufgaben nicht mehr wahrgenommen, es wird an Einzelne ausgelagert, andererseits wird zugleich der Einzelne jenseits der obersten Gehaltsklassen beziehungsweise der gut verdienenden Unternehmen belastet. Das führt mit diesem Steuerdumping, das derzeit stattfindet, das heißt, der Staat hat immer weniger Einnahmen, zu einer Spirale nach unten, die weite Teile der Bevölkerung EU-weit in die Armut führt. Wir haben es heute schon gehört: 56 Millionen Europäer und Europäerinnen leben an der Armutsgrenze oder sind von Armut bedroht. Und Sie haben nichts anderes zu tun, als öffentliche Ausgaben, die nämlich denen zugute kommen, die armutsbedroht sind, weiter zu reduzieren und die Steuerlast für die Kleinen weiter anzuheben und für die Großen zu senken. (Beifall bei den Grünen.)

Was wir brauchen, ist eine Sozialunion. Wir brauchen europaweit einen existenz­sichernden Mindestlohn. Und Sie als Regierungsparteien sind aufgefordert, sich für


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite