Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 64. Sitzung / Seite 14

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Erste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer. 15 Minuten. – Bitte, Sie sind am Wort. (Abg. Reheis stellt eine Tafel mit der Aufschrift „Für ein soziales Europa! – SPÖ“ auf das Rednerpult. – Abg. Scheibner: Das ist zu groß, das verdeckt den Red­ner! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

 


11.27

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, es ist richtig: Europa hat sehr viel er­reicht. Und das Allerwichtigste, was Europa erreicht hat, ist, dass es nicht nur in den letzten Jahrzehnten auf dem Gebiet der Europäischen Union keine kriegerischen Aus­einandersetzungen mehr gegeben hat, nein, viel mehr: Es ist heute völlig unvorstell­bar, dass Mitgliedstaaten der Europäischen Union miteinander in Kriegshandlungen verwickelt werden. Und das ist das größte historische Ergebnis der europäischen Eini­gung, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Van der Bel­len.)

Ich glaube, uns allen ist bewusst, dass „einmal erreicht“ nicht heißt, dass das für alle Zeiten so bleiben muss, und dass man an den Voraussetzungen für Frieden und Sicherheit in Europa dauerhaft arbeiten muss. In diesem Zusammenhang ist die Erwei­terung der Europäischen Union, die am 1. Mai 2004 stattgefunden hat, ganz sicher ein historischer Quantensprung, weil sie zehn weitere Staaten in die Zone der Sicherheit und der Stabilität integrieren wird. Damit wird die Europäische Union nicht nur größer, sondern auch sicherer, und der Frieden ist damit in Zukunft besser gesichert. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist auch unbestreitbar, dass es in vielen Fragen der Kooperation und der Integration auf europäischer Ebene Fortschritte ge­geben hat und dass der Weg von der Freihandelszone zu einer Zollunion und dann zur Wirtschafts- und Währungsunion ganz bedeutende Schritte waren, die einen Einfluss auf die Wirtschaft und auf die Beschäftigung auf unserem Kontinent haben.

Aber ich glaube, wir sollten dabei nicht übersehen, was in den letzten Jahren die blin­den Flecken der Politik der Europäischen Union waren. Wenn wir mit Recht feststellen, dass es in den letzten Jahrzehnten einen wirtschaftlichen Aufstieg Europas gegeben hat, dann müssen wir aber, glaube ich, gleichzeitig auch feststellen, dass sehr ambitio­nierte Ziele, zum Beispiel den Reichtumsabstand zwischen Europa und den Vereinig­ten Staaten zu verringern, leider nicht erreicht wurden.

Wir müssen des Weiteren feststellen, dass viele Menschen, auch wenn es in Europa Beschäftigung gibt, nach wie vor arbeitslos sind und sehr viele Menschen um ihren Arbeitsplatz bangen. Wir müssen auch feststellen, dass die moderne wirtschaftliche Entwicklung und der Umstand, wie die Europäische Union damit umgegangen ist, auch zu vermehrten sozialen Spannungen nicht nur in Europa, sondern auch in all den Mit­gliedstaaten geführt haben.

Herr Bundeskanzler, ich glaube, das ist von entscheidender Bedeutung, weil es darum geht, möglichst alle Menschen auf dem europäischen Weg mitzunehmen, und das geht ohne eine ganz starke soziale Komponente in Europa nicht. Und hier ist eine Änderung erforderlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin schon der Meinung, wenn in den vergangenen Jahren Preisstabilität und Bud­getziele im Vordergrund gestanden sind – alles sehr wichtige Zielsetzungen –, dass dem manchmal das Beschäftigungsziel geopfert wurde. Ich erwarte mir schon einen stärkeren Einsatz, wenn es um die Beschäftigung und um die Chancen der Menschen in Europa geht.

 


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