Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 64. Sitzung / Seite 26

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zur Europäischen Union immer wieder gemeinsame Initiativen des österreichischen Nationalrates, so muss heute festgestellt werden, dass in dieser GP nur noch ein einziger Beschluss im EU-Hauptausschuss gefasst wurde. Und selbst bei diesem Be­schluss handelte es sich um die Kenntnisnahme einer vorgeformten Grundsatzposition der Bundesregierung zur Verfassungsdebatte durch die Regierungsfraktionen und nicht um eine offene Debatte über ebendiese österreichische Position, die eigentlich einen parteienübergreifenden Konsens dringend nötig hätte. Die Bundesregierung trägt, weil sie im Parlament nach keinem Konsens gesucht hat, für die Europapolitik die alleinige Verantwortung. Die europapolitischen Defizite im Hinblick auf die Umsetzung europäischer Richtlinien und auf die mangelhafte Beteiligung österreichischer Minister an Ratssitzungen sind besonders unverständlich.

Bei der Außenministerkonferenz ist die Ausweitung der qualifizierten Mehrheit in den Bereichen Sozial-, Wirtschafts- und Steuer- sowie Landwirtschaftspolitik, wie sie der Konvententwurf zum Inhalt hat, zur Disposition gestellt worden. Nationalstaatlich unlös­bare Probleme werden nach Brüssel delegiert, wo sie an der Einstimmigkeit wiederum scheitern. Damit werden uneinlösbare Erwartungen geweckt. Dies gilt umso mehr, solange der Rat mit der Aufrechterhaltung des Einstimmigkeitsprinzip in zahlreichen Politikbereichen alle Lösungen blockiert. Die nationalen Regierungen verbinden damit den Erhalt ihrer Machtstellung. Das Prinzip der Einstimmigkeit bedeutet Veto-Macht für jeden Mitgliedstaat und führt zum Scheitern.

Dieselbe Täuschung begeht die ÖVP auch, was ihre Haltung zur Nato betrifft. Während die Außenministerin im Präsidentschaftswahlkampf behauptete, die Nato sei keine Option mehr, erklärte am 3. Mai 2004 Bundeskanzler Schüssel in Rumänien: Mit der Verfassung müsste auch geklärt werden, wie die künftigen Brennpunkte von EU und NATO aussehen sollen: „Ich würde sagen, der militärische liegt bei der NATO, der frie­denserhaltende bei der EU-Seite.“ (APA0625, 2004-05-03) Damit wird von der Bundes­regierung eine gemeinsame, souveräne und autonome Außen- und Sicherheitspolitik der EU hintertrieben. Die europäischen Regierungschefs haben den Passus, der die Nato zur unverzichtbaren Grundlage der europäischen Verteidigung macht, dem Ver­fassungsentwurf im vergangenen Dezember angefügt. Das leitet eine völlig falsche Entwicklung der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik und eine Unterordnung unter die Hegemonie der USA ein. Es steht im krassen und offenen Widerspruch zum österreichischen Neutralitätsgesetz. Das ist ein schwerer Einbruch in den soliden Entwurf des Verfassungskonventes, der eine autonome, souveräne, von der Nato unabhängige Außen- und Sicherheitspolitik ermöglichen würde. Die Bestimmung. die Nato zur „Instanz für die Verwirklichung der gegenseitigen Verteidigung“ zu machen, schreibt eine Identität von Nato und EU unter der militärischen und politischen Vorherr­schaft der USA fest. Sie stellt den kürzesten Weg zu einem Nato-Beitritt Österreichs dar, den die schwarz-blaue Regierung auf diese Weise umzusetzen versucht.

Der Euratom-Vertrag schreibt seit 1957 die Förderung der Atomenergie und die Ent­wicklung einer „mächtigen Atomindustrie“ in Europa als unbefristetes EU-Primärrecht fest. Eine Reform des Vertrages ist der Schlüssel für den Europäischen Atomausstieg. Auf Initiative der Grünen ist es im EU-Konvent gelungen, den Euratom-Vertrag aus der EU-Verfassung herauszulösen und der Weg ist damit frei für eine überfällige Reform. Darüber hinaus eröffnet sich für einzelne Staaten die Option eines Ausstiegs aus Euratom, ohne aus der Union austreten zu müssen. Derzeit besteht die große Gefahr, dass das Konventsergebnis bei der bevorstehenden EU-Regierungskonferenz zunichte gemacht wird. Zentrales Anliegen muss die rasche Einberufung einer Euratom-Revisi­onskonferenz sein. Eine Revisionskonferenz ist zwar erklärtes Ziel der Bundesregie­rung, allerdings hat die Bundesregierung bisher keine entsprechend kraftvolle Initiative gesetzt. Statt im Verfassungsprozess permanent als Bremser aufzutreten, wäre die Bundesregierung in dieser Frage alleine aufgrund des in Österreich bestehenden


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