Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 64. Sitzung / Seite 57

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Die österreichischen Regierungsvertreter haben in den vergangenen Jahren vor allem auf das Ziel „ein Kommissar pro Mitgliedsstaat“ gesetzt, scheinen nun aber dieses Re­gierungshauptziel nicht einlösen zu können. Diese einseitige Konzentration hat andere für Österreich entscheidende Fragen zu kurz kommen lassen. Diese Gesichtspunkte sollten daher wenigstens jetzt noch in den Mittelpunkt der österreichischen Bemühun­gen gerückt werden.

Aus diesem Grunde stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung und insbesondere der Herr Bundeskanzler werden ersucht, sich im Rahmen der Regierungskonferenz vor allem für folgende Fragen von österreichi­schem Interesse einzusetzen:

1. Die Europäische Union braucht den Verfassungsvertrag, der eine Stärkung des direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählten Europäischen Parlaments bringen muss, jetzt. Die von den Bürgerinnen und Bürgern gewählten Abgeordneten zum EP müssen im Gesetzgebungsverfahren das letzte Wort haben. Ein neuerliches Scheitern der Regierungskonferenz wäre ein Desaster für das europäische Einigungs- und Frie­densprojekt.

2. Die EU muss auch nach der Erweiterung handlungsfähig bleiben. Dazu ist es erfor­derlich, das Prinzip der Entscheidung im Rat mit qualifizierter Mehrheit auszudehnen und durch die Mitentscheidung des Europäischen Parlaments zu ergänzen. Es soll daher zu keinen Einschränkungen der Anwendung der Mehrheitsentscheidung gegen­über dem Konventsentwurf kommen. Bei der Ausdehnung der Anwendung der Mehr­heitsentscheidung kann es nicht darum gehen, öfter Minderheiten zu überstimmen. Es muss auch weiterhin die Kultur der Berücksichtigung vitaler Interessen von andernfalls überstimmten Minderheiten geben. Abweichende Stellungnahmen sollen jedoch be­gründungspflichtig und kompromissbereit gemacht werden.

3. Für Leistungen der Daseinsvorsorge beziehungsweise der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse muss auch unter den Bedingungen der Vollendung des europäischen Binnenmarktes der allgemeine und diskriminierungsfreie Zugang für alle gewahrt bleiben. Wenn schon ein zusätzliches Ziel in den Zielbestimmungen (Arti­kel I 3) der Verfassung verankert werden soll, dann soll auch die allgemeine und diskri­minierungsfreie Zugänglichkeit der Leistungen der Daseinvorsorge in Artikel I 3 der Verfassung aufgenommen werden. In Anbetracht der Tatsache, dass viele dieser Dienste von – oftmals kleinen – Gemeinden organisiert oder erbracht werden, muss sichergestellt werden, dass die Regeln des europäischen Wettbewerbsrechts (Beihil­fenverbot, Ausschreibungspflicht) die Erbringung und die allgemeine Zugänglichkeit von Leistungen der Daseinsvorsorge nicht verunmöglichen. Die Bundesregierung wird in diesem Zusammenhang weiters ersucht, in der EU in geeigneter Form für eine Klarstellung zu sorgen, dass die Wasserwirtschaft als Bereich der Daseinsvorsorge anerkannt wird und in der Kompetenz der Mitgliedstaaten verbleibt.

4. Es reicht nicht aus, in Artikel I 3 das Ziel der Vollbeschäftigung zu verankern und es im Teil III beim bisher gültigen Ziel eines „hohen Beschäftigungsniveaus“ zu belassen. Es sollen daher die Ziele der Union, wie sie in Artikel I 3 festgelegt sind auch in den Text des Teils III der Verfassung übernommen werden („Vollbeschäftigung“ statt „hohes Beschäftigungsniveau“ und „soziale Marktwirtschaft“ statt „offene Marktwirt­schaft mit freiem Wettbewerb“). Sollte eine allgemeine Sozialklausel, wie derzeit als Artikel III 2a vorgesehen, beschlossen werden, gilt das auch für diesen Artikel.

 


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