Die österreichischen Regierungsvertreter
haben in den vergangenen Jahren vor allem auf das Ziel „ein Kommissar pro
Mitgliedsstaat“ gesetzt, scheinen nun aber dieses Regierungshauptziel nicht
einlösen zu können. Diese einseitige Konzentration hat andere für Österreich
entscheidende Fragen zu kurz kommen lassen. Diese Gesichtspunkte sollten daher
wenigstens jetzt noch in den Mittelpunkt der österreichischen Bemühungen
gerückt werden.
Aus diesem Grunde stellen die
unterfertigten Abgeordneten folgenden
Entschließungsantrag:
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die Bundesregierung und insbesondere der
Herr Bundeskanzler werden ersucht, sich im Rahmen der Regierungskonferenz vor
allem für folgende Fragen von österreichischem Interesse einzusetzen:
1. Die Europäische Union braucht den
Verfassungsvertrag, der eine Stärkung des direkt von den Bürgerinnen und
Bürgern gewählten Europäischen Parlaments bringen muss, jetzt. Die von den
Bürgerinnen und Bürgern gewählten Abgeordneten zum EP müssen im
Gesetzgebungsverfahren das letzte Wort haben. Ein neuerliches Scheitern der
Regierungskonferenz wäre ein Desaster für das europäische Einigungs- und Friedensprojekt.
2. Die EU muss auch nach der Erweiterung
handlungsfähig bleiben. Dazu ist es erforderlich, das Prinzip der Entscheidung
im Rat mit qualifizierter Mehrheit auszudehnen und durch die Mitentscheidung
des Europäischen Parlaments zu ergänzen. Es soll daher zu keinen
Einschränkungen der Anwendung der Mehrheitsentscheidung gegenüber dem
Konventsentwurf kommen. Bei der Ausdehnung der Anwendung der Mehrheitsentscheidung
kann es nicht darum gehen, öfter Minderheiten zu überstimmen. Es muss auch
weiterhin die Kultur der Berücksichtigung vitaler Interessen von andernfalls
überstimmten Minderheiten geben. Abweichende Stellungnahmen sollen jedoch begründungspflichtig
und kompromissbereit gemacht werden.
3. Für Leistungen der Daseinsvorsorge
beziehungsweise der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse muss
auch unter den Bedingungen der Vollendung des europäischen Binnenmarktes der
allgemeine und diskriminierungsfreie Zugang für alle gewahrt bleiben. Wenn
schon ein zusätzliches Ziel in den Zielbestimmungen (Artikel I 3)
der Verfassung verankert werden soll, dann soll auch die allgemeine und diskriminierungsfreie
Zugänglichkeit der Leistungen der Daseinvorsorge in Artikel I 3 der
Verfassung aufgenommen werden. In Anbetracht der Tatsache, dass viele dieser
Dienste von – oftmals kleinen – Gemeinden organisiert oder erbracht
werden, muss sichergestellt werden, dass die Regeln des europäischen
Wettbewerbsrechts (Beihilfenverbot, Ausschreibungspflicht) die Erbringung und
die allgemeine Zugänglichkeit von Leistungen der Daseinsvorsorge nicht
verunmöglichen. Die Bundesregierung wird in diesem Zusammenhang weiters
ersucht, in der EU in geeigneter Form für eine Klarstellung zu sorgen, dass die
Wasserwirtschaft als Bereich der Daseinsvorsorge anerkannt wird und in der
Kompetenz der Mitgliedstaaten verbleibt.
4. Es reicht nicht aus, in
Artikel I 3 das Ziel der Vollbeschäftigung zu verankern und es im
Teil III beim bisher gültigen Ziel eines „hohen Beschäftigungsniveaus“ zu
belassen. Es sollen daher die Ziele der Union, wie sie in Artikel I 3
festgelegt sind auch in den Text des Teils III der Verfassung übernommen
werden („Vollbeschäftigung“ statt „hohes Beschäftigungsniveau“ und „soziale
Marktwirtschaft“ statt „offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“). Sollte
eine allgemeine Sozialklausel, wie derzeit als Artikel III 2a
vorgesehen, beschlossen werden, gilt das auch für diesen Artikel.