Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 64. Sitzung / Seite 70

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den zwanziger und dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts vollbracht haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Robert Solow ist nun bei Gott nicht der Einzige, der sagt, dass es schon sein mag, dass dieser Pakt eine gute Intention gehabt hat, aber jetzt, in den letzten Jahren, rich­tet er eindeutig mehr Schaden als Nutzen an.

Wenn wir schon Regeln brauchen, dann brauchen wir andere Regeln. Wir müssen uns auf das strukturelle Defizit und nicht auf das laufende Defizit konzentrieren. Wir müssen uns auf die Verschuldungsquoten und nicht zu sehr auf die laufenden Defizite konzentrieren.

Nur ein Wort dazu: Es macht einen Unterschied, ob ein Land mit einer Schuldenquote von 130 Prozent, wie es bei Italien und Griechenland der Fall war, ein Defizit von auch nur 2 oder 3 Prozent des BIP macht, oder ob dies ein Land mit einer Schuldenquote von 50 oder 60 Prozent tut. Das macht auf lange Sicht einen riesigen Unterschied aus! (Abg. Neudeck: Aber nicht erst jetzt! Das ist damals ausdrücklich so beschlossen wor­den!)

Aber gerade neulich ist wieder – ich weiß nicht, in welchem Ausschuss das war; das habe ich schon vergessen, im Unterausschuss des Hauptausschusses oder in einem anderen – von Ihnen, von den Regierungsparteien ein Bekräftigungsbeschluss ge­fallen, dass der jetzige Stabilitätspakt auf Punkt und Beistrich einzuhalten ist. Nur vor diesem Hintergrund kommt jemand wie Finanzminister Grasser dazu, in Frankfurt zu fordern, dass die Deutschen das gefälligst auf Punkt und Beistrich einzuhalten hätten.

Ich verstehe schon – ich bin jetzt eh gutwillig –, bestehende Verträge sind einzuhalten. Aber dieser Vertrag ist ein unsinniger Vertrag! Deswegen müssen die Reformbestre­bungen dahin gehen, ihn sinnvoll so zu ändern, dass er Stabilität und Wachstum fördert (Zwischenruf des Abg. Scheibner), Herr Kollege Scheibner. Die Reform darf nicht so ausschauen, dass ein sinnloser Vertrag mit zusätzlichen Sanktionen durchge­peitscht wird. Das war aber die Aussage von Karl-Heinz Grasser in Frankfurt. Das ist wirtschaftspolitischer Irrsinn. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das dient auch – zumindest dieses Argument müsste bei Ihnen ziehen – nicht den wirtschaftspolitischen Interessen Österreichs. Österreich hat primäres Interesse daran, dass die deutsche Wirtschaft einigermaßen floriert. Wir haben doch kein Interesse daran, dass Deutschland – und das wäre eine Konsequenz des jetzigen Stabilitäts­paktes – rund 11 Milliarden € zusätzlich in irgendeine Rücklage in Brüssel transferiert.

Bitte, 11 Milliarden zusätzlich! Und wenn die Deutschen das nicht tun, dann sollen sie mit Entzug des Stimmrechtes bestraft werden?! Das ist im Ernst die Vorstellung des Finanzministers? Es gibt niemanden in diesem Haus, niemanden in der Bundesre­gierung, niemanden in seinem Ministerium, der ihm diesen Unsinn, der auch den wirtschaftspolitischen Interessen – ich rede nicht von Moral, Recht oder irgendetwas Ähnlichem –, unseren wirtschaftspolitischen Interessen nicht entspricht, ausredet?

Sie schauen mich mit wunden Augen an, Herr Kollege Molterer (Abg. Mag. Molterer: Gar nicht! Ich bin überrascht, dass ein Ökonom so etwas sagen kann!), aber ich er­warte auch von Ihnen eine klare Stellungnahme von Seiten der Bundesregierung in der Öffentlichkeit, das Ja, dass der Pakt revidiert gehört, dass Sie sagen: Ja, wir wollen Stabilität und Wachstum, aber so geht es offensichtlich nicht. (Abg. Mag. Molterer: Sie sind Professor für Ökonomie? Da verstehe ich nicht, dass Sie das sagen!) – Deswegen sage ich es ja dauernd. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich bin Professor der Ökonomie, ich missbrauche mit diesem Anliegen Ihre Zeit, aber das ist kein Privatanliegen. (Abg. Mag. Molterer: Ich verstehe, warum Sie es nicht


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