Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 66. Sitzung / Seite 14

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14.18

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Wahl der/des Zweiten Nationalratspräsidentin/Nationalratspräsidenten, das ist nicht nur eine formale Frage – Vorschlagsrecht ja oder nein, soll man das verankern, Usance beibehalten oder nicht? –, sondern das ist vor allem eine politische Frage. Ich möchte zwei demokratiepolitische Aspekte herausgreifen, die mir wichtig sind, die uns wichtig sind.

Wir werden jetzt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit eine Frau zur Zweiten Präsidentin des Nationalrates wählen, und für den Fall, dass Präsident Khol Grippe bekommt oder ihm ein Blumentopf auf den Kopf fällt – selbstverständlich nur mit leichten Verletzun­gen, Herr Präsident! –, dann ist protokollarisch gesehen hinter dem Bundespräsidenten eine Frau die Zweite im Staate – noch vor dem Bundeskanzler.

Die Funktion der Zweiten Nationalratspräsidentin ist zwar nicht mit einer großen Macht­fülle verbunden, aber es ist trotzdem ein sehr wichtiges repräsentatives Amt im Herzen der Demokratie, nämlich im Parlament. Und hier ist es besonders wichtig, auch einmal Geschlechterdemokratie, Repräsentanz von Frauen zu berücksichtigen und sich einmal anzuschauen, wie das wirklich ist und auch war.

52 Prozent der Bevölkerung sind weiblich. Wir sind weit davon entfernt, dass diese 52 Prozent den ihnen entsprechenden Anteil an Einkommen, an Einflussmöglichkeiten, an Karrierechancen und auch an Repräsentation im politischen System haben. Wenn man in die Vergangenheit zurückblickt, dann muss man leider mit Bedauern feststellen, dass von den 52 Präsidenten, die wir hatten, seit wir diese Verfassung als Grundlage unserer politischen Arbeit haben, nur zwei weiblich waren. Es ist lobenswert, dass die erste Präsidentin aus den Reihen der ÖVP kam. Sie haben zwar gut angefangen, dann allerdings sehr stark nachgelassen, muss ich sagen. Es gibt jetzt in der ÖVP-Partei­spitze beziehungsweise im Klubvorstand keine Frau mehr. Ich meine, Herr Kollege Klubobmann Molterer, da sollten Sie etwas an sich arbeiten. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Mit Mandatszuwachs bei der nächsten Wahl!)

Ein Rechenbeispiel: Wenn wir in diesem Tempo weitermachten, dann würde es unge­fähr ein halbes Jahrtausend dauern, bis im Präsidium ein halbwegs adäquates Gleich­gewicht zwischen Männern und Frauen herrschen würde. Ich denke, das ist zu lang.

Würden wir ab der nächsten Wahl, ab 2006, keinen einzigen Mann mehr ins Präsidium wählen, sondern nur noch Frauen, dann wären wir – und das ist jetzt ein Rechen­beispiel für alle, die gut rechnen können – im Jahr 2081 endlich beim Ausgleich von Männern und Frauen im Präsidium des Nationalrates. Das ist sehr bedauerlich und bedrückend, und es ist eine demokratiepolitische Frage. Wir freuen uns daher, dass die SPÖ eine Frau vorgeschlagen hat. Die sukzessive Eroberung von politischen Positionen ist einfach wichtig.

Ich zitiere hier aus dem Frauenbericht unserer Frauensprecherin Brigid Weinzinger: Es ist gesamtösterreichisch immer noch ein Problem. Wir haben 717 Mandatarinnen und Mandatare, davon sind über 500 männlich und nur 216 weiblich. Wir haben 33 Prä­sidialmitglieder, davon sind 26 männlich und 7 weiblich. Auch bei den Regierungs­mitgliedern ist das Verhältnis sehr traurig. Ich denke, das ist auch ein politischer Auftrag. Es ist ein politischer Auftrag für alle Parteien, und es soll auch als Wakeup Call verstanden werden, Frauen in allen politischen Positionen innerhalb der Parteien zu fördern und sich auch Instrumente zu überlegen. Wir haben dazu in der Vergan­genheit auch einige Vorschläge gemacht.

Zum zweiten Bereich, über den ich sprechen möchte, zu dieser Usance, die heute hier schon beschworen worden ist: Das war nicht immer und überall und auch in der Vergangenheit nicht immer. Bis 1983 war es üblich, dass zwei SPÖ-Präsidenten im


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