Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 66. Sitzung / Seite 15

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Präsidium vertreten waren und ein ÖVP-Abgeordneter. Erst mit Eintritt der FPÖ in die Regierung hat sich das geändert. Aus Sicht der Grünen ist diese Usance auch zu diskutieren. Allerdings begrüßen wir es, dass die zweitstärkste Fraktion im Haus heute das Nominierungsrecht wahrnimmt. Es ist allerdings eine geheime und freie Wahl, und ich möchte hier auch in vollem Respekt vor frei gewählten Abgeordneten der Grünen sagen, dass Barbara Prammer das volle Vertrauen der grünen Fraktion genießt.

Zum dritten Bereich – das ist etwas, was mit Demokratiepolitik und mit Parlamen­taris­mus zu tun hat –: Da möchte ich Ihnen, Frau Mag. Prammer, auch etwas für die Zukunft mitgeben. Es geht nicht nur um den Alltag, darum, Sitzungsabläufe zu koor­dinieren, Streit zu schlichten, Ordnungsrufe zu erteilen und sexistisches, rüpelhaftes Verhalten zu ahnden, was wir von Ihnen besonders einfordern werden, und wir werden Sie da auch beobachten – das liegt allerdings nicht speziell in Ihrer besonderen Verantwortung, sondern selbstverständlich in jener des gesamten Präsidiums –, son­dern es geht auch um die Rolle des Parlamentes insgesamt.

Es hat sich in den letzten 20 Jahren sehr gut entwickelt, aber trotzdem kann man noch eine Vision für das österreichische Parlament haben, die über das hinausgeht, was wir jetzt hier haben: Es sollte nämlich die Konfliktkultur weiterentwickelt werden, die Konfliktkultur in Richtung mehr argumentative Auseinandersetzung. Ich würde emp­fehlen, einmal die alten Reichsratsprotokolle zu lesen. Da gibt es im Jahre 1867 eine sehr interessante Debatte über das Staatsgrundgesetz, über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger. Das ist ein Lehrbeispiel dafür, wie man sich mit Argumenten über Gräben hinweg auseinander setzen und ein sehr hohes Niveau an Konfliktkultur erreichen kann.

Da hinzuarbeiten wäre ein schöner Auftrag, aber auch das Parlament als selbst­bewussten Ort der Gesetzgebung zu stärken. Ich wiederhole alte Forderungen der Grünen, die meinen, dass dieses Haus einen Legislativdienst braucht, dass dieses Haus einen Verfassungsdienst braucht und dass dieses Haus in Anlehnung an andere europäische Parlamente auch Enquete-Kommissionen besser ausstatten können müsste, um Zukunftsfragen wie Bioethik, Gentechnik et cetera auch adäquat behan­deln zu können. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ein ganz besonderer Auftrag auch an Sie als Sozialdemokratin. Die Sozialdemokraten haben zu Beginn der Ersten Republik, in den zwanziger Jahren, am 1. Oktober mit sehr starkem Verfassungspatriotismus immer auch für den Parlamentarismus ge­kämpft. Etwas, was damals etwas zu kurz gekommen ist und auch heute vielleicht immer noch zu kurz kommt, ist das Bewusstsein für Minderheitsrechte, für Kontroll­rechte der Minderheit, die die Qualität von politischen Entscheidungen einfach verbes­sern und auch eine differenzierte Beteiligung an der Regierung beziehungsweise an der Mehrheit im Hause ermöglichen. Sie haben jetzt einige Jahre de facto auf der Oppositionsbank verbracht, und ich würde mir wünschen, dass Sie diese Perspektive, die so automatisch wie bei den Freiheitlichen immer gleich in die Regierungs­perspektive umschwenkt, beibehalten und dass Sie das gesamte politische System und auch die Wichtigkeit von Kontrollrechten, von parlamentarischen Minderheits­rechten hochhalten und vertreten und vielleicht auch mithelfen, diese weiterzuent­wickeln, auch wenn die SPÖ vielleicht irgendwann wieder die Sitzposition oder Perspektive ändern sollte. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich zweifle nicht an Ihren besten Vorsätzen. Sie erhalten von uns einen Vertrauens­vorschuss. Ich wünsche Ihnen alles Gute und gute Zusammenarbeit innerhalb und außerhalb der Präsidiale und dieses Hauses. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.25

 


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