Präsidium vertreten waren und ein ÖVP-Abgeordneter. Erst mit Eintritt der
FPÖ in die Regierung hat sich das geändert. Aus Sicht der Grünen ist diese
Usance auch zu diskutieren. Allerdings begrüßen wir es, dass die zweitstärkste
Fraktion im Haus heute das Nominierungsrecht wahrnimmt. Es ist allerdings eine
geheime und freie Wahl, und ich möchte hier auch in vollem Respekt vor frei
gewählten Abgeordneten der Grünen sagen, dass Barbara Prammer das volle
Vertrauen der grünen Fraktion genießt.
Zum dritten Bereich – das ist etwas, was mit Demokratiepolitik und
mit Parlamentarismus zu tun hat –: Da möchte ich Ihnen, Frau
Mag. Prammer, auch etwas für die Zukunft mitgeben. Es geht nicht nur um
den Alltag, darum, Sitzungsabläufe zu koordinieren, Streit zu schlichten,
Ordnungsrufe zu erteilen und sexistisches, rüpelhaftes Verhalten zu ahnden, was
wir von Ihnen besonders einfordern werden, und wir werden Sie da auch
beobachten – das liegt allerdings nicht speziell in Ihrer besonderen Verantwortung,
sondern selbstverständlich in jener des gesamten Präsidiums –, sondern es
geht auch um die Rolle des Parlamentes insgesamt.
Es hat sich in den letzten 20 Jahren sehr gut entwickelt, aber
trotzdem kann man noch eine Vision für das österreichische Parlament haben, die
über das hinausgeht, was wir jetzt hier haben: Es sollte nämlich die
Konfliktkultur weiterentwickelt werden, die Konfliktkultur in Richtung mehr
argumentative Auseinandersetzung. Ich würde empfehlen, einmal die alten
Reichsratsprotokolle zu lesen. Da gibt es im Jahre 1867 eine sehr interessante
Debatte über das Staatsgrundgesetz, über die allgemeinen Rechte der
Staatsbürger. Das ist ein Lehrbeispiel dafür, wie man sich mit Argumenten über
Gräben hinweg auseinander setzen und ein sehr hohes Niveau an Konfliktkultur
erreichen kann.
Da hinzuarbeiten wäre ein schöner Auftrag, aber auch das Parlament als
selbstbewussten Ort der Gesetzgebung zu stärken. Ich wiederhole alte
Forderungen der Grünen, die meinen, dass dieses Haus einen Legislativdienst
braucht, dass dieses Haus einen Verfassungsdienst braucht und dass dieses Haus
in Anlehnung an andere europäische Parlamente auch Enquete-Kommissionen besser
ausstatten können müsste, um Zukunftsfragen wie Bioethik, Gentechnik et cetera
auch adäquat behandeln zu können. (Beifall bei den Grünen und bei
Abgeordneten der SPÖ.)
Ein ganz besonderer Auftrag auch an Sie als Sozialdemokratin. Die Sozialdemokraten haben zu Beginn der Ersten Republik, in den zwanziger Jahren, am 1. Oktober mit sehr starkem Verfassungspatriotismus immer auch für den Parlamentarismus gekämpft. Etwas, was damals etwas zu kurz gekommen ist und auch heute vielleicht immer noch zu kurz kommt, ist das Bewusstsein für Minderheitsrechte, für Kontrollrechte der Minderheit, die die Qualität von politischen Entscheidungen einfach verbessern und auch eine differenzierte Beteiligung an der Regierung beziehungsweise an der Mehrheit im Hause ermöglichen. Sie haben jetzt einige Jahre de facto auf der Oppositionsbank verbracht, und ich würde mir wünschen, dass Sie diese Perspektive, die so automatisch wie bei den Freiheitlichen immer gleich in die Regierungsperspektive umschwenkt, beibehalten und dass Sie das gesamte politische System und auch die Wichtigkeit von Kontrollrechten, von parlamentarischen Minderheitsrechten hochhalten und vertreten und vielleicht auch mithelfen, diese weiterzuentwickeln, auch wenn die SPÖ vielleicht irgendwann wieder die Sitzposition oder Perspektive ändern sollte. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
Ich zweifle nicht an Ihren besten Vorsätzen. Sie erhalten von uns einen Vertrauensvorschuss. Ich wünsche Ihnen alles Gute und gute Zusammenarbeit innerhalb und außerhalb der Präsidiale und dieses Hauses. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
14.25