Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 66. Sitzung / Seite 26

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desregierung – nicht die jetzige und auch nicht die vorherige – aktiv darum bemüht hat, Arbeitsplätze zu schaffen, den Menschen Arbeitsmöglichkeiten zu geben und sie entsprechend zu qualifizieren und aktive Arbeitsmarktpolitik zu betreiben. Also Arbeit schaffen war die erste vorhergegangene Phase.

In der Phase zwei danach ging es darum, die Arbeitslosigkeit zu verwalten. Da hat man geschaut, dass die Statistik in etwa einen gewissen Standard nicht überschreitet. Man hat in Kurse „Wie bewerbe ich mich richtig?“ ausgelagert, zum zweiten, zum dritten, zum vierten Mal, und so weiter. Da gab es also eine Verwaltungsphase der Arbeits­losigkeit.

Jetzt gehen Sie mit Ihrer Politik der Regierung her und sagen: Wir müssen Arbeitslose bekämpfen – nicht Arbeitslosigkeit, sondern Arbeitslose bekämpfen –, es müssen mög­lichst wenige werden. Was Sie nämlich vorexerzieren – Sie haben das jetzt, zwar unter anderen Vorzeichen, aber de facto natürlich ausgemalt –, ist: Wer es in den ersten 100 Tagen nicht geschafft hat, hat Pech bei Ihrer Regierungspolitik. Wer nicht zu den Privilegierten gehört, die in der Arbeitslosigkeit sehr rasch einen neuen Job finden oder überhaupt schon eine relativ fix in Aussicht haben, hat Pech gehabt, denn der Berufsschutz ist weg, der Entgeltschutz ist degressiv, die Zumutbarkeits­bestim­mungen werden ordentlich verschärft.

Sie machen damit auch aus dem einen Job, der auf neun Arbeitssuchende kommt, keinen einzigen mehr. Da müssen Sie mir einmal erklären und vor allem den Arbeits­losen erklären, wie Sie denn Ihre tollen 100-Tage-Ziele erreichen wollen, wenn auf jeden Arbeitsplatz, der jetzt verfügbar ist, acht bis neun Arbeitssuchende kommen, und zwar kontinuierlich. Mein Kollege hat Ihnen die Zahlen genannt. Was nützt es den anderen acht, die den Job nicht bekommen, wenn Sie sagen, es sei ihnen zumutbar, einen anderen Beruf zu ergreifen – den gibt es nämlich auch nicht ––, es sei ihnen zumutbar, weniger zu verdienen – es gibt auch keinen Job zu weniger Verdienst –, es sei ihnen zumutbar, ein, zwei Stunden Wegzeit am Tag in Kauf zu nehmen, wenn die Mobilität nicht gegeben ist und der Job nicht da ist?

Ich komme aus Gmünd aus dem oberen Waldviertel. Was glauben Sie, wie viele Frauen dort langzeitarbeitslos sind? Die werden mit der Wegzeit, die Sie jetzt als zumutbar definieren, erst recht keine Chance haben, einen Job zu finden. Frauen werden es generell – mit einer Ausnahme, auf die ich zu sprechen komme – mit den Wegzeitbestimmungen tendenziell noch schwerer haben, einen Job zu finden.

Erklären Sie mir einmal: Wie soll jemand, der vielleicht nicht täglich den PKW der Familie zur Verfügung hat, eine Wegzeit von bis zu zwei Stunden täglich schaffen können, wenn die öffentlichen Verkehrsmittel nicht ausreichend da sind?

Sie können ja noch nicht einmal beantworten – das konnten Sie auch im Ausschuss nicht –, wie Sie denn Wegzeit für einen Pendler definieren. Heißt es das, dass man um 6 Uhr in der Früh in den Zug steigen muss, damit man irgendwann in der nächsten größeren Ortschaft, wo der Arbeitsplatz ist, zwei Stunden später den Bürobetrieb schafft? Da sind wir auf vier, fünf Stunden im schlimmsten Fall. Ist das auch zumutbar? (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das können Sie nicht beantworten! Gehen Sie von Stauzeiten aus oder nicht? (Abg. Dr. Mitterlehner: Von der Wirtschaft verstehen Sie nichts!) Gehen Sie von realen privaten, öffentlichen, sonstigen Verkehrsträgern aus?

Also was Sie hier machen, ist eine Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen. Sie schicken die Arbeitslosen ins Nirwana der ungeklärten Fragen, auch in anderen Punkten. Sie legen einen Betreuungsplan vor (Zwischenrufe bei der ÖVP) – ganz cool bleiben! –, der einseitig vom Arbeitsmarktservice vorgegeben werden kann, aber vom Arbeitssuchenden einzuhalten ist. Das ist eine ganz merkwürdige Verlagerung der Verantwortung zu jenen, die im Zweifelsfall nicht einmal eine Mitsprache genießen.

 


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