So, Sie als Dieb, stellen Sie sich vor, nähern sich von der Zweier-Linie mit einem Hammer und einem Meißel ... (Abg. Mag. Molterer: In diesem Haus gibt es keinen Dieb! – Abg. Dr. Stummvoll: Das können wir uns nicht vorstellen!) – Ein reines Gedankenspiel! Nicht Sie, Herr Molterer! Das würde ich Ihnen nie unterstellen, dass Sie die „Saliera“ gestohlen haben! Die Situation der Sicherheitsvorkehrungen ist so dramatisch, dass man das wirklich durchdenken muss.
Sie gehen also von der Zweier-Linie mit Hammer, Meißel und Taschenlampe zum Baugerüst. Das Baugerüst ist nicht gesichert. Sie können dort eine nur schlecht verschlossene Tür öffnen und dann über einzelne Stiegen hinaufgehen bis zum Fenster des Raumes IV, in dem die „Saliera“ steht. Sie schlagen das Fenster mit dem Hammer ein – nichts passiert! In vielen Museen gibt es zum Beispiel einen Magnetfilter, der bei Glasbruch sofort Alarm schlägt. Das passiert Ihnen dort nicht. (Abg. Neudeck: Jetzt müssen Sie nur noch sagen, wo Sie sie versteckt haben!) Sie können dann dort im Raum stehen und gemütlich eine Zigarette rauchen, weil die drei Bewegungsmelder genau diesen toten Winkel nicht erfassen. Sie stehen also dort und rauchen. Angenommen Herr Professor Van der Bellen steht dort und raucht. (Allgemeine Heiterkeit.) Er hat genügend Zeit dazu. Der Wächter sitzt vor dem Fernseher, schaut sich die Fußball-EM an oder was auch immer.
Dann gehen Sie zur Glasvitrine, schlagen mit dem Hammer die Glasvitrine ein – und dann geht der Alarm los. Sie nehmen die „Saliera“, begeben sich gemütlich wieder zum Fenster, steigen das Gerüst abwärts und fahren mit der Straßenbahn, mit der U-Bahn oder mit dem Auto von dort weg. Der Alarm hat sich ausgelöst. Er wurde als Fehlalarm identifiziert, nicht als echter Alarm, weil es im Kunsthistorischen Museum nämlich 130 Fehlalarme pro Jahr gibt. Und der Dieb oder die Diebin ist mit der „Saliera“ frohgemut vom Kunsthistorischen Museum über die Zweier-Linie hinwegspaziert.
Ich habe das so drastisch geschildert, weil es wirklich ein Kinderspiel war. Es ist, glaube ich, leichter, einen Kaugummiautomaten zu knacken, als die „Saliera“, eines der bedeutendsten Werke der italienischen Alten Meister aus dem Kunsthistorischen Museum zu entwenden. Wir erheben massiv den Vorwurf, dass bei den Sicherheitsvorkehrungen im KHM extrem geschlampt worden ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Warum war das Baugerüst nicht gesichert? Warum kann man ein Fenster einschlagen, ohne dass ein Alarm anschlägt? Warum installiert man eine Videokamera, die sich nicht automatisch einschaltet, wenn der Alarm angeht? Warum muss der Sicherheitsbeamte zwei Stockwerke überwinden? Selbst wenn er Sprinter ist, braucht er mindestens fünf Minuten, um das Licht einzuschalten, damit dann die Kamera angeht. Warum steht die „Saliera“ überhaupt völlig ohne Objektschutz in einem Raum, in dem nur Bewegungsmelder installiert sind? Warum ist sie nicht durch einen dieser modernen Mikrowellen-Teppiche geschützt? Und warum handelt es sich hier überhaupt um ein Sicherheitssystem, das 20 Jahre alt und nicht State of the Art ist?
Das sind alles Vorwürfe, die sich Herr Seipel gefallen lassen muss. Wir wissen, dass die „Saliera“ eines der bedeutendsten Kunstwerke des KHM war. Und was für mich verblüffend ist, ist, dass sich die Ministerin, ohne auch nur irgendwie in Frage zu stellen, ob da jetzt alles in Ordnung war oder nicht, automatisch immer bei jedem Vorwurf vor den Direktor stellt, egal, ob das die Bilanzbeschönigungen sind, egal, ob das einer der größten Kunstraube seit dem Diebstahl der „Mona Lisa“ ist. Und es ermittelt nicht nur die österreichische Polizei, sondern es wird international ermittelt, die Deutschen, die Schweizer und die Italiener. Warum ist das alles möglich mit einer Ministerin, die sagt, dieser Mensch ist sakrosankt, der hat alles richtig gemacht?