Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 69. Sitzung / Seite 35

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Ich muss Ihnen gestehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin das erste Mal froh darüber, feststellen zu können, dass die Regierenden wirklich sehr weit von den Wünschen der Bevölkerung entfernt sind, weil das der einzige Grund ist, warum die zentralen Errungenschaften des Verfassungsentwurfs, den der Konvent vorgelegt hat, nicht beschädigt worden sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Würden Sie es wirklich für ein Hauptanliegen der Bürgerinnen und Bürger halten, die Stimmgewichtung so zu regeln, wie sie jetzt von den Staats- und Regierungschefs geregelt worden ist? Glauben Sie wirklich, dass das die Bürgerinnen und Bürger sehr interessiert? Glauben Sie wirklich, dass die Ver­schiebung der Verkleinerung der Europäischen Kommission von 2009 auf 2014 das ganz zentrale Anliegen der Menschen war? – Das halten Sie doch nicht im Ernst für die Wahrheit!

Halten Sie es wirklich für besonders bürgernah, wenn Sie im Zuge der Beratungen unter den Staats- und Regierungschefs die wenigen Instrumente, auf die wir uns im Konvent zur besseren Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität einigen konn­ten, auch noch beseitigen oder so stark verschlechtern, dass man sie nicht mehr an­wenden kann? Oder halten Sie es für eine Leistung, dass Sie die Bestimmungen, die wenigen und schwachen Bestimmungen, die wir im Konvent zur Bekämpfung grenz­überschreitenden Steuerbetruges zustande gebracht haben, einfach beseitigen? – Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!

Herr Bundeskanzler, diese Liste ließe sich fortsetzen. So gesehen ist es geradezu ein Glück, dass sich die Staats- und Regierungschefs um Fragen gekümmert haben, die nicht die der Bürger sind, aber sie haben auch bei dieser Verfassung und bei deren vorliegendem Entwurf Schaden angerichtet.

Es gibt jedoch genügend Gründe – das möchte ich heute und hier auch deutlich sa­gen –, ja zu dem zu sagen, was herausgekommen ist. Das liegt im Wesentlichen daran, dass es wirklich zu einer Stärkung des Europäischen Parlaments und damit derjenigen kommt, die direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt sind, um deren Interessen in Europa zu vertreten – nicht Länderinteressen, sondern Interessen von konkreten Menschen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Das Zweite ist Folgendes: Natürlich ist es auch ein Ja wert, dass es endlich zur rechts­verbindlichen Verankerung der Europäischen Grundrechtscharta kommt, dass es rechtsverbindliche und gerichtlich durchsetzbare Grund- und Freiheitsrechte, Men­schen- und Bürgerrechte auch auf europäischer Ebene geben wird. Das sind die bei­den Gründe dafür, warum wir ein ganz klares Ja zu dieser Verfassung und zu ihrer Verabschiedung sagen, weil die Stärkung des Europäischen Parlaments zugleich die Hoffnung mit sich bringt, dass die Art des erbärmlichen Kuhhandels, die die Streiterei der Regierungschefs um Machtfragen jedes Mal bedeutet, vielleicht zu Gunsten der Lebensinteressen der Bürgerinnen und Bürger überwunden werden kann. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Bei diesen Lebensinteressen, meine sehr geehrten Damen und Herren, geht es primär darum, Arbeit durch eine gemeinsame und starke Wirtschaftspolitik zu schaffen. Es geht darum, Kriminalität wirksam und gemeinsam zu bekämpfen, Steuer- und Sozial­dumping im Interesse sozialer Sicherheit und im Interesse der Finanzierung des euro­päischen und auch des österreichischen Wohlfahrtsstaates zu bekämpfen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aber wir diskutieren heute nicht nur die Fra­ge der Europäischen Verfassung, wir diskutieren auch über eine neuerliche Umbildung der schwarz-blauen Regierung. Ich bin ein bisschen erstaunt und verwundert darüber, vor allem meine Damen und Herren von der freiheitlichen Seite, dass Sie meinen, Ihre Krise dadurch überwinden zu können, dass Sie den Justizminister ablösen.

 


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