Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 73. Sitzung / Seite 104

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Man muss auch selbstkritisch hinzufügen, dass die Frage der Reparation in der Republik Österreich insgesamt 60 Jahre gedauert hat. Lange Zeit wurde auch eine Mitschuld des österreichischen Volkes, aus der sich eine Pflicht zur Wiedergut­machung ergeben hätte, definitiv abgelehnt, weil dies lange Zeit auch eine Bestätigung für die Opfer des österreichischen Staates als erstes Opfer Hitler-Deutschlands ge­wesen ist. Wozu also etwas gutmachen, wenn man selbst Opfer war? Das ist in Wahrheit auch ein Teil der österreichischen Geschichte und ein Teil der öster­reichischen Wiedergutmachung, wenn man so will.

Dazu kommt auch noch, dass jahrelang eine umfassende moralische, gesellschaftliche und kulturelle Rehabilitierung der Juden, aber auch all jener, die aus anderen Gründen verfolgt wurden, die emigrieren mussten, unter ihnen zahlreiche Wissenschaftler, Philosophen und Intellektuelle, nicht stattgefunden hat. Das wird einem immer wieder schmerzhaft bewusst, wie jetzt vor kurzem, als man vom Ableben eines berühmten Chemikers österreichischer Provenienz in England erfuhr und zur Kenntnis nehmen musste und einem eigentlich bewusst wurde und wird, welchen Aderlass die Republik Österreich hingenommen hat und hinnehmen musste.

In diesem Zusammenhang sei daher all jenen gedankt, die sich positiv um eine Aufarbeitung der Geschichte bemüht haben. Ich erinnere da etwa an den verstorbenen Bundespräsidenten Klestil. Ich habe auch in der Vergangenheit schon immer wieder sein Verdienst gewürdigt, das er in diesem Zusammenhang erbracht hat, weil das eine ganz, ganz wichtige Sache ist.

Schwerer als diese materiell-technische Seite wiegt allerdings nach meinem Dafür­halten die geistige Auseinandersetzung. Und da, glaube ich, stehen wir erst am Beginn der Aufarbeitung, wie viele bedauerliche Vorfälle der letzten Zeit in Deutschland und in anderen Teilen Europas zeigen, wo es einfach eine Kontinuität, xenophoben, rassis­tischen und nationalsozialistischen Denkens gibt und wo man mit Bedauern feststellen muss, dass dieser Kontinent die geistige Restitution noch lange nicht bewältigt hat und dass viele unbewältigte Denk- und Verhaltensmuster fortwirken und auch in Öster­reich – quasi atavistisch aus der Vergangenheit – in jüngster Zeit wieder aufgebrochen sind.

Daher muss man das auch in Rechnung stellen und bedenken, dass es hier noch viel zu tun gibt, unabhängig von dem Positiven, das geleistet wurde, unabhängig davon, dass vieles geschehen ist in der Vergangenheit, dass es zum Beispiel einen Gedenk­tag gegen Rassismus gibt, dass es auch viele andere Initiativen gibt, die die kritische Selbstreflexion fördern, wobei ich der Meinung bin, dass nur kritische Selbstreflexion eine Möglichkeit, eine Chance bietet, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen, die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen – und dass dies das Einzige ist, was wirkt und was wesentlich ist als Voraussetzung zur Abwehr von Xenophobie und Frem­denfeindlichkeit.

Das möchte ich auch hier gesagt haben, ungeachtet der relativ bescheidenen materiellen Wiedergutmachung, ungeachtet dessen, dass ich das anerkennen möchte, aber auch, damit man die Dimensionen dessen sieht, was wirklich passiert ist in diesem Land. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Van der Bellen.)

13.40

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte.

 


13.41

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren, die Sie heute unsere Debatte mitverfolgen! Hohes Haus! Ich


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