Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 75. Sitzung / Seite 55

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Grassers Verantwortung

Finanzminister Grasser, der in Medien zu Recht den Titel „master of desaster“ zugeschrieben bekommt, trifft für das ganze Debakel die Gesamtverantwortung. Diese teilt sich in eine politische, wirtschaftliche und rechtliche Verantwortung.

Bundesminister Grasser hat es als zuständiges Regierungsmitglied zu verantworten, dass er die politischen Rahmenbedingungen für den Verkauf der TA an die swisscom vorab nicht ausreichend geklärt hat. Bundesminister Grasser hat es als zuständiges Regierungsmitglied ferner zu verantworten, dass er das Einvernehmen bzw. eine Zustimmung der Regierungsparteien nicht erreichen und die erforderlichen rechtlichen Rahmenbedingungen bzw. Gesetzesänderungen nicht sicherstellen konnte, nachdem das Verhandlungsergebnis mit der swisscom in Grundzügen feststand. Bundesminister Grasser hat es als zuständiges Regierungsmitglied zu verantworten, dass die ÖIAG über kein schlüssiges Entwicklungskonzept für ihre Unternehmen verfügt, die damit zum Spielball für Einzelinteressen werden und bei geplanten Anteilsverkäufen regel­mäßig nachteilige Ergebnisse für den Wirtschaftsstandort Österreich, die weitere Unternehmensentwicklung und den Veräußerungserlös erzielen.

Bundesminister Grasser hat es als Eigentümervertreter des Bundes bei der ÖIAG zu verantworten, dass er offenbar die Führung der ÖIAG zu einem Verkauf an die swisscom gedrängt hat, wobei er nicht nur offensichtlich entsprechend dem ÖIAG-Gesetz vom ÖIAG-Vorstand über Inhalt und Fortgang der Verhandlungen informiert war, sondern sich dem Vernehmen nach in der Folge auch laufend in die Verhand­lungen eingemischt bzw. diese persönlich begleitet hat, unter anderem durch ein Treffen mit dem Schweizer Finanzminister. Er hat das Debakel daher auch im Ergebnis zu verantworten, sowohl die negativen Auswirkungen für den Finanzplatz Österreich, die wirtschaftliche Zukunft der Telekom Austria und der Mobilkom Austria, als auch den Kursverlust von mehr als 1 Milliarde Euro, der viele Anleger schmerzhaft getroffen hat.

Bundesminister Grasser hat als Eigentümervertreter des Bundes bei der ÖIAG, als Initiator und selbst Hand anlegender Wegbegleiter der Verkaufsgespräche jede kauf­männische Sorgfalt vermissen lassen. Er hat als Eigentümervertreter des Bundes bei der ÖIAG aufwändige Verhandlungen, due-diligence-Prüfungen und andere Dis­po­sitionen – beispielsweise die Beauftragung teurer Beraterfirmen – mit initiiert bzw. zugelassen, ohne sich vorher mit einem Mindestmaß an Sorgfalt und Umsicht einer Rückendeckung der gesamten Bundesregierung bzw. der Regierungsparteien für die von ihm angestrebte swisscom-Lösung zu versichern. Bundesminister Grasser hat als Eigentümervertreter des Bundes bei der ÖIAG und durch seine persönliche Invol­vierung in die Verkaufsverhandlungen auch das fehlende Krisenmanagement und die mangelhafte Informationspolitik nach dem Scheitern der Verhandlungen mit der swisscom zu verantworten. Er hat daher auch zu verantworten, dass die TA-Aktie nicht rechtzeitig auf Antrag des Unternehmens aus dem Handel genommen wurde, sodaß Insidergeschäfte zum Nachteil anderer gutgläubiger Marktteilnehmer erst möglich wurden.

Aus den angeführten Gründen ist dem Bundesminister für Finanzen gemäss Artikel 74 Abs. 1 B-VG das Vertrauen zu versagen.

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Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gehen in der Debatte weiter.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dkfm. Dr. Stummvoll. Auch seine Redezeit beträgt 5 Minuten. – Herr Kollege, Sie sind am Wort.

 


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