Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 175

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ger Jahren erheblich gewandelt haben. Die Ehe hat ihre Monopolstellung weitgehend eingebüßt und ist nur mehr eine von vielen Lebensformen.

Vor allem die nichteheliche Lebensgemeinschaft ist währenddessen zu einem Massen­phänomen geworden. Wie auch Professor Prisching dargestellt hat, sind die Gründe dafür vielfältig: Viele sehen auch in einer Lebensgemeinschaft die Sehnsucht nach Familie gestillt, und viele scheuen vor einer Eheschließung einfach deswegen zurück, weil sie die Ehe als das sehen – und in diesem Punkt dürfte ich mit einer Ihrer Studien korrespondieren, Frau Staatssekretärin –, was sie trotz aller Auflösungsmöglichkeiten doch ist, nämlich ein Bund fürs Leben, und sich eben nicht trauen, eine lebenslange Garantie abzugeben.

Welche die Gründe auch immer sind: Faktum ist jedenfalls, dass die nichteheliche Lebensgemeinschaft zur zweithäufigsten Lebensform geworden ist. Die Gesetzgebung ignoriert diese Tatsache allerdings und stellt keinen ausreichenden Rahmen für diese Form der Partnerschaft zur Verfügung. Lebensgefährten gelten, auch wenn sie schon Jahrzehnte zusammen leben, rechtlich als Fremde. Nur in einzelnen Randbereichen werden sie anerkannt, aber oft nur zum Nachteil, wie zum Beispiel bei der Notstands­hilfe, bei der das Partnereinkommen zur Berechnung herangezogen wird, obwohl kein Unterhaltsanspruch besteht. Lebensgefährten leben zwar wie Ehepartner, führen einen gemeinsamen Haushalt, tätigen gemeinsame Anschaffungen, ziehen mitunter auch ge­meinsam Kinder auf, pflegen einander im Krankheitsfall und leisten einander Beistand. Wenn es aber zur Trennung kommt, gibt es gravierende Probleme, was die Aufteilung des gemeinsamen Vermögens und der Verbindlichkeiten betrifft.

Die Gerichte haben zwar rechtliche Konstruktionen entwickelt, diese sind aber nur wirt­schaftsrechtlicher und nicht familienrechtlicher Natur. Das bedeutet in der Praxis, dass Familienarbeit nur unzureichend berücksichtigt wird. Das fällt natürlich jenen auf den Kopf, die sehr viel in die Lebensgemeinschaft investiert haben, sei es durch Familien­arbeit oder Bestreitung der Haushaltskosten, und hier haben in den meisten Fällen die Frauen das Bummerl.

Gesetzlichen Unterhaltsanspruch gibt es keinen, auch dann nicht, wenn der Partner im Einvernehmen mit dem anderen den Beruf aufgibt, um sich etwa der Kindererziehung zu widmen. Ich denke, dieses Problem dürfte sich in Zukunft noch verschärfen, weil Kindergeldbezug und Kündigungsschutz auseinanderfallen und Mütter vom Kinder­geldbezug direkt in die Arbeitslose schlittern, jedoch nicht in den Bezug der Notstands­hilfe kommen, weil ja – wie gesagt – ein fiktives Partnereinkommen angerechnet wird. Stirbt ein Lebensgefährte, kommt das Heimfallsrecht des Staates zum Tragen, bevor der andere etwas bekommt.

Die Liste der Diskriminierungen lässt sich noch lange fortsetzen, aber man sieht jeden­falls, dass hier massiver Regelungsbedarf besteht, in welcher Form auch immer. Man­ches könnte an eine Form der Partnerschaftsregistrierung anknüpfen, manches an das bloße Faktum der Lebensgemeinschaft.

Besonders akut ist der Handlungsbedarf bei homosexuellen Lebensgemeinschaften, die ja nicht die Alternative der Eheschließung haben. Ich hoffe, dass der Vorstoß aus Ihren Reihen in diese Richtung nicht nur ein billiger Anbiederungsversuch an be­stimmte Zielgruppen war, sondern dass Sie wirklich an einem modernen Familienrecht interessiert sind. (Beifall bei der SPÖ.)

19.50

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dipl.-Ing. Achleitner. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte, Frau Abgeord­nete.

 


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