Nationalrat, XXII.GPStenographisches Protokoll76. Sitzung / Seite 199

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Um andere Menschen von strafbaren Handlungen abzuhalten – andere nämlich! –, müssen die, die sitzen, bis zum letzten Tag sitzen. Diese Art von Abschreckung wirkt nicht in der Dauer, sondern sie wirkt höchstens in der Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden. Deshalb ist die ganze Argumentation rund um die Generalprävention schlicht und einfach falsch.

Wir schlagen deshalb in unserem Initiativantrag, der ihnen hier heute vorliegt und mit dem sich der Justizausschuss dann auch befassen kann, nachdem er zugewiesen wor­den ist, vier wesentliche Punkte bei der Reform der bedingten Entlassung vor.

Erster Punkt: Überlegungen, ob eine Strafe weiter vollzogen werden muss, um an­dere – nicht den, der sitzt – von strafbaren Handlungen abzuhalten – das ist die schon angesprochene Generalprävention –, sollen wie in der Schweiz und in Deutschland in der Frage der bedingten Entlassung keine Rolle mehr spielen. – Das ist der erste Punkt, und zwar ein ganz wesentlicher, denn das ist nämlich das Hauptargument dafür, bedingte Entlassungen in Österreich zu verhindern.

Zweiter Punkt: Nach Verbüßen von zwei Dritteln der Strafe muss bedingt entlassen werden. Ausnahmen soll es nur in jenen Fällen geben, in welchen es eine erhöhte Rückfallgefahr gibt und in welchen die erhöhte Rückfallgefahr schwere Gewalttaten oder gemeingefährliche Delikte nach sich zu führen droht. – Es ist mir ganz wichtig, das zu betonen, um nicht der Blauäugigkeit geziehen zu werden, wo es dann womög­lich heißt, jeden Schwerverbrecher lassen wir früher raus.

Dritter Punkt bei den vorgeschlagenen Maßnahmen: Nicht mehr die Vollzugsgerichte sollen über bedingte Entlassungen entscheiden, nämlich die Gerichte, die auch urtei­len, sondern Strafvollzugskommissionen, also jene, die mit dem Häftling gearbeitet haben und zu tun gehabt haben, wie etwa StaatsanwältInnen, Vollzugsbedienstete, SozialarbeiterInnen in der Bewährungshilfe.

Vierter und auch wesentlicher Punkt: Selbst in jenen Risikogruppen, in welchen die be­dingte Entlassung einer besonderen Bedachtnahme bedarf, soll es nach fünf Sechsteln der Strafe eine bedingte Entlassung geben, weil nur dann Bewährungshilfe angeordnet werden kann.

Das ist meine letzte Information an Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, denn es weiß eigentlich kaum jemand, wie fahrlässig, würde ich fast sagen, der Gesetzgeber im Zusammenhang mit Straftätern umgeht. (Abg. Scheibner: Was werden Sie uns in der zweiten Lesung erzählen? Da bleibt nichts übrig!) Das erzähle ich in der ersten Le­sung, weil ich hoffe, dass der eine oder andere auch sozusagen seinen Horizont bezüglich dieser Fakten erweitert. Das gilt sogar für die Klubobleute, die auch nicht allwissend sind, denn sonst würden sie manchmal gescheiter reden, wenn sie mehr wüssten. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Scheibner: Ich mache mir nur Sorgen um die zweite Lesung!)

Lassen Sie mich das letzte Argument zu Ende führen!

Wenn in Österreich jemand eingesperrt wird – ich sage es ganz banal – und er bis zum letzten Tag sitzt – Sie haben es gehört, 80 Prozent jener, die sitzen, tun es –, dann wird er entlassen, und dann ist alles vorbei. Dann gibt es keine Bewährungshilfe und auch keine Nachbetreuung, außer es will das einer freiwillig, aber dafür werden auch die Mittel gekürzt.

Was wir wollen, das ist Folgendes: die Möglichkeit der Anordnung von Bewährungs­hilfe, die sich als äußerst nützlich erwiesen hat und die ein mehr als erprobtes Modell ist – selbst bei Sexualstraftätern gibt es damit positive Erfahrungen –, auch im Sinne der Spezialprävention für den Straftäter nützen. – Das ist der wesentlichste und wich­tigste Beweggrund, den Sie haben sollten, wenn Sie sich über eigene Anträge Gedan-


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