Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 78. Sitzung / Seite 194

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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden mit der Änderung des Straf­rechtlichen Entschädigungsgesetzes die Probleme, die ich aufgezeigt habe, nicht lösen können. Wir können eines erreichen: dass zumindest jene, die nach ordnungs­gemäß angeordneter Untersuchungshaft freigesprochen werden, oder jene, gegen die das Verfahren eingestellt wird, oder jene, die in einem Wiederaufnahmeverfahren frei­gesprochen werden, eine Entschädigung erhalten und dass nicht mehr zwischen einem zweifelsfreien und einem nicht zweifelsfreien Freispruch unterschieden wird.

Das, was wir rechtsstaatlich noch lösen müssen, Hohes Haus, ist die Frage, wie Menschen, die zu Unrecht in U-Haft genommen werden, die zu Unrecht verurteilt werden, innerhalb angemessener Frist zu ihrem Recht kommen.

Eines sollten wir nämlich nicht übersehen: Hier geht es um menschliche Existenzen. Gert Lagler hat mehr oder weniger seine Existenz verloren. Er war als Wirt­schafts­treuhänder tätig und hatte über zehn Jahre Berufsverbot.

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir halten die Regelungen, die nun im Strafrechtlichen Entschädigungsgesetz vorgesehen werden, für unterstützungs­würdig. Wir werden allerdings zu § 3 und § 4 einen Abänderungsantrag einbringen, jedoch in dritter Lesung der Regierungsvorlage zustimmen. Kollege Jarolim wird aus­führlich begründen, warum wir eben zu § 3 und zu § 4 einen Abänderungsantrag einbringen werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Strafrechtlichen Entschädigungs­gesetz können wir eine menschenrechtskonforme Regelung in Österreich erreichen, allerdings – und das sage ich hier ganz offen – geht der Kampf weiter. Da sollte dieses Haus auf Seite der so genannten Justizopfer stehen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

20.16

 


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Böhmdorfer. – Bitte.

 


20.16

Abgeordneter Dr. Dieter Böhmdorfer (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Justizministerin! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hau­ses! Herr Abgeordneter Maier, ich bin ein bisschen erstaunt darüber, dass man mit Fehlern, die überall passieren können, in einer Situation, in der man ein wirklich rechts­staatliches Gesetz beschließt, auf diese Art Stimmung macht. Das ist unfair gegenüber der gesamten Justiz, das ist unfair gegenüber allen Richtern und Richterinnen, die sich täglich bemühen, richtige Entscheidungen zu treffen. (Abg. Dr. Puswald: Justizirrtümer gibt es!) Das ist unfair gegenüber allen Sachverständigen. Das ist unfair gegenüber allen Staatsanwälten und überhaupt gegenüber der Gesellschaft, weil hier nicht der Eindruck erzeugt werden sollte, die österreichische Justiz mache Fehler um Fehler. (Abg. Dr. Puswald: Das sagt ja niemand!) So ist es in Wirklichkeit überhaupt nicht. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir haben hier eine unglaublich schwierige Situation zu bewältigen. Der österreichi­sche Gesetzgeber bemüht sich seit dem Jahre 1918, das zu tun. Im Jahre 1918 ist zum ersten Mal ein solches Strafrechtliches Entschädigungsgesetz beschlossen worden, später im Jahre 1932 und im Jahre 1969 auch. Und heute versuchen wir es wieder.

Tun wir nicht so, Herr Abgeordneter Maier, als ob diejenigen, die – was leider auch vorkommt – zu Unrecht verhaftet werden, in Österreich keinen Rechtsschutz hätten. Bei Grundrechtsverletzungen greift Artikel 5 der EMRK.

 


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