Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 81. Sitzung / Seite 34

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Ich möchte deshalb als Freiheitlicher an Sie das Ersuchen richten, in all den Gremien, in den Räten, in denen Sie zu Wort kommen, das auch zu tun. Ob das eine europa­weite Volksabstimmung sein wird oder ob man andere Wege finden wird müssen, das können wir jetzt noch nicht beurteilen. Wir haben noch die Möglichkeit, ein europawei­tes Referendum auf die Schiene zu bringen. Wir erleben ja die Diskussion über diese Verfassung auch in den anderen Mitgliedsländern, in den Mitgliedsländern, die eigent­lich vor einem, vor zwei Jahren noch ausgeschlossen haben, dass es auf nationaler Ebene bei ihnen zu Volksabstimmungen kommen werde. Deshalb glaube ich, dass auch diese Frage eine vollkommen neue Qualität erreicht hat durch diese öffentliche Diskussion darüber, und wir Freiheitlichen ersuchen Sie, auf europäischer Ebene für diese Frage der Volksabstimmung über diese neue Verfassung, die gravierend in das Leben der Menschen eingreift, einzutreten.

Es kann nämlich nicht so sein, dass die politische Führung auf europäischer Ebene wesentliche Dinge beschließt, voraneilt, und die Völker Europas können diesen Ent­wicklungen nicht nacheilen. Früher oder später, meine Damen und Herren, würde das eine Diskrepanz bringen, die das Experiment Europäische Union scheitern ließe.

Auch die Frage der EU-Grenzen ist in den nächsten Jahren zu stellen. Damit im Zu­sammenhang zu sehen ist jetzt auch die Frage des Beitritts der Türkei zur Euro­päischen Union. Wir Freiheitlichen haben klar gesagt, dass wir uns auch nach dem Bericht – ja, gerade nach dem Bericht der Kommission! – Verhandlungen über einen Beitritt mit der Türkei nicht vorstellen können. Es kann ja nicht so sein, dass man sagt, ein Land erfüllt die Kriterien zum Beitritt zur Europäischen Union, während wir gerade in Österreich laufend positive Asylanträge aus diesem Land zu behandeln haben. (Prä­sidentin Mag. Prammer übernimmt den Vorsitz.)

Es wird in dieser Beziehung, denken wir, noch ein Fortschritt gemacht werden müssen, und die Türkei ist in ihrer derzeitigen Zusammensetzung und in ihrem politischen Klima und in ihrer politischen Kultur noch nicht reif für einen Beitritt zur Europäischen Union. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich ersuche deshalb auch Sie, in den Räten, und auch den Herrn Bundeskanzler, im Europäischen Rat, wenn es dann darum gehen wird, ein Dokument zu erstellen, das den Beginn dieser Verhandlungen mit der Türkischen Republik begründet, darauf zu achten, dass dieser offene Ausgang der Verhandlungen nicht nur erklärt wird, sondern dass er in diesem Dokument auch festgeschrieben ist, damit die Bürger Europas auch einen Anhaltspunkt haben, dass diese Verhandlungen mit der Türkischen Republik nicht zwingend in einen Beitritt münden müssen, sondern dass es dabei ausschließlich um die Klärung des Verhältnisses der Europäischen Union zur Türkischen Republik in den nächsten Jahren gehen wird. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Das werden gleichzeitig auch Modellverhandlungen sein müssen, und auch das Ergeb­nis dieser Verhandlungen wird Modellcharakter haben, denn viele Länder – ehemalige Mitgliedsländer der Sowjetunion zum Beispiel – bemühen sich auch um einen Beitritt zur Europäischen Union; je früher und je ehrlicher wir sagen, dass Weißrussland, die Ukraine und so weiter nicht die Möglichkeit haben werden, ein Vollmitglied der Euro­päischen Union zu werden, desto fairer ist das von Seiten der Europäischen Union. Das hätte die Union auch mit der Türkei schon längst machen müssen.

Frau Ministerin und Herr Bundeskanzler! Ich möchte Sie deshalb ersuchen, dass Sie gerade in den entscheidenden Räten auf europäischer Ebene dieses Prinzip, das wir Freiheitlichen vertreten – wenn es geht, keine Verhandlungen mit der Türkei aufzuneh­men, weil sie noch nicht die Kriterien für eine EU-Mitgliedschaft erfüllt –, deutlich ma­chen, und dass Sie, wenn es zu diesen Verhandlungen kommt, dafür eintreten, dass das offene Verhandlungen sind und dass es hiebei ausschließlich darum geht, das


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