Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 83. Sitzung / Seite 33

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gestern, 30 Jahre Schuldenpolitik geißelt, dann muss ich fragen: Was sagen Sie eigentlich dazu, Herr Bundeskanzler? Da geißelt er Sie ja gleich mit, denn Sie sind seit 1989 in der Regierung. Da wäre doch, politisch gesprochen, fast eine väterliche Dachtel angebracht (Heiterkeit bei der SPÖ), denn das kann er doch gar nicht machen beziehungsweise es kann doch gar nicht sein, dass er als Finanzminister so aufmüpfig sein darf und das alles sagen kann, denn das zerstört doch das Geschichtsbild, das Sie hier errichten wollen!

Ihr Geschichtsbild ist ganz einfach: Da war der Bundeskanzler Klaus, und dann, nach gewisser Zeit, kam schon Schüssel in die Regierung (ironische Heiterkeit bei der SPÖ), und zwar mit irgendeinem Regierungspartner, an den er sich nicht mehr erinnern kann. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Dann gab es Schwarz-Blau, aber an Blau werden Sie sich auch bald nicht mehr erinnern können. Und übrig bleibt Wolfgang Schüssel. So wird die Geschichtsbetrachtung sein! (Abg. Rädler: Den Kreisky habt ihr schon vergessen!)

Sie können sich dann, wenn es Ihnen passt, nicht aus der Verantwortung wegstehlen und aus der Geschichte auslöschen! Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass unter 30 Jahre sozialdemokratischer Kanzlerschaft gigantische Fortschritte im Bildungs­bereich, im Schulbereich, im Universitätsbereich, im Sozialbereich, im Infrastruktur­bereich, im Gesundheitsbereich, zur Sicherung der Pensionen gemacht wurden. Das wird immer unter den Tisch gekehrt! (Abg. Dr. Fekter: An den Pensionsbrief von Vranitzky kann ich mich auch erinnern!)

Wieso stellen Sie sich nicht her und sagen, dass Sie das Vergnügen hatten, an dieser Politik 15, 16 Jahre persönlich mitzuwirken? Anstelle dessen lassen Sie zu, dass der Finanzminister Grasser jedes Mal, wenn er hier spricht, diese 30 Jahre als Tage und Jahre der Finsternis erklärt.

So wird sich nächstes Jahr das Gedenkjahr abspielen? So soll es sein: dass Sie das so betrachten, wie es Ihnen gefällt, und nur die ÖVP quasi gleich die Geschichte Österreichs ist und der Rest nicht existiert hat? Das werden wir nicht zulassen! Das kann ich Ihnen jetzt schon sagen. Das wird auch die Öffentlichkeit nicht zulassen! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich muss Ihnen sagen: Das hilft Ihnen nichts! Das hilft Ihnen trotzdem nichts!

Es sagte gestern der Herr Finanzminister Grasser – und das setzt sich wahrscheinlich heute so fort –: Nicht in absoluten Schuldenständen sollt ihr mich bewerten, sondern in Quoten und Prozenten! (Zwischenbemerkung von Bundesminister Mag. Grasser.) Sie zahlen nicht in Quoten und Prozenten zurück, sondern die absoluten Schulden haben Sie zurückzuzahlen, Herr Finanzminister! Reden Sie doch nicht so herum! (Beifall bei der SPÖ. – Neuerliche Zwischenbemerkung von Bundesminister Mag. Grasser.)

Der „Professor“ Schüssel, der hier professoral den Professor Van der Bellen belehrt hat – wobei der Unterschied ist, dass Van der Bellen wirklich Wirtschaftsprofessor ist, was man hinzufügen muss (Ruf bei der ÖVP: Das glaubt aber niemand!) –, lässt das alles von der Regierungsbank aus geschehen. Also geschieht es mit seiner Zustim­mung.

Er lässt auch geschehen, wie Klubobmann Molterer sich mit den 30 Jahren Geschichte auseinander setzt, von denen 15, 16, 17 Jahre die ÖVP mit dabei war. Er tut dies, wie wenn er da ein Blackout gehabt hätte. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich sage: Das war ein politisches Blackout, weil das die Rollenverteilung so vorsieht: der sonorige Onkel, manchmal professoral, beruhigend, mit der Welt auf du und du (Abg. Dr. Fekter: Staatsmann!), Geschichtsteile ausblendend, wo er meistens dabei war, und dann der Bösewicht in der Klubobmannrolle, der die Geschichte etwas brutaler und radikaler umdeutet.

 


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