Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 83. Sitzung / Seite 118

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nehmen, dass wir in einem Rechtsstaat leben, in dem der VfGH so etwas wie eine Letztentscheidung über die Grenzen unserer Bundesverfassung hat.

Das zweite Beispiel – ähnlich schockierend –, das Zivildienstgesetz, das Zivildienst­gesetz, bei dem es um eine sehr wichtige Frage geht: Was sind die Kernaufgaben des Staates? – Der Verfassungsgerichtshof hat gesagt, dieser Bereich ist so sensibel, hier geht es um die allgemeine Wehrpflicht, hier kann nicht privatisiert und ausgelagert werden. Das ist eine Rechtsposition, die man zu akzeptieren hat, wenn es der Verfas­sungsgerichtshof feststellt.

Der Innenminister steht über dem Verfassungsgesetzgeber, über dem Verfassungs­gerichtshof und über der Verfassung, weil er für sich in Anspruch nimmt, zu sagen, was gut ist. Er sagt, nicht alles, was Recht ist, ist auch gut. Aber ich frage Sie: Wer be­stimmt dann, was gut ist? Ich weiß nicht, der liebe Gott oder der Innenminister? (Abg. Scheibner: Bringen Sie die auf eine Ebene, diese beiden Herrschaften?) So kann es nicht gehen. Wir müssen uns an diese rechtsstaatlichen Spielregeln einfach halten, sonst ist dies das Ende der Demokratie! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) – Ich weiß, dass Sie ein Problem mit KritikerInnen haben, aber wenn man sich von diesen rechtsstaatlichen Spielregeln wegbewegt, bewegt man sich auf sehr, sehr dünnem Eis.

Ein drittes Beispiel noch, weil es so viele Menschen betrifft, das sind die Zivildiener. Das ist auch wiederum ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zu der Frage, welchen Verpflegsersatz die Zivildiener pro Tag bekommen sollen, und der Verfas­sungsgerichtshof ... (Abg. Mag. Molterer: Gibt es das Recht der freien Meinungs­äußerung oder nicht?) – Nein, ich zitiere hier Verfassungsgerichtshofentscheidungen. (Abg. Mag. Molterer: Was haben Sie für ein Demokratieverständnis?) Ich zitiere hier Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes. Der Verfassungsgerichtshof hat fest­ge­stellt, man möge sich beim Verpflegsersatz für Zivildiener am Satz für Grund­wehrdiener orientieren, und das sind 13,6 €. (Abg. Mag. Molterer: Wir lassen uns von Ihnen nicht vorschreiben, wer was sagt! Das ist ja ungeheuerlich!) Der Innenminister hat das in Ignoranz dieses Erkenntnisses auf 6,4 € hinuntergesetzt. Das finde ich auch ungeheuerlich, Herr Kollege Molterer. Ich glaube, wir können uns schon auf eines ver­ständigen: dass höchstgerichtliche Entscheidungen ... (Abg. Mag. Molterer – in Rich­tung Grüne –: Das ist ein Politikverständnis, das ist entlarvend! – Gegenruf des Abg. Dr. Van der Bellen.) – Herr Kollege Klubobmann Molterer, Sie können dann gerne hier herauskommen und sich rechtfertigen, warum sich ein Innenminister über Verfas­sungs­gerichtshoferkenntnisse stellt. (Abg. Kößl: Das stimmt ja nicht! Das ist eine Unwahrheit!) Ja selbstverständlich stimmt das! (Beifall bei den Grünen.)

Ich kann Ihnen noch andere Beispiele nennen, wie etwa die Diffamierung des UBAS, des Unabhängigen Bundesasylsenats, und zwar mit dem Satz „Das ist eine Behörde, die kann tun und lassen, was sie will.“ Das ist eine öffentliche Diskreditierung von unabhängigen Richtern. (Abg. Kößl: Aber eine Meinungsfreiheit hat er! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Schauen Sie sich an, was der Herr Bundespräsident schon alles gesagt hat über ...!) Haben Sie damit kein Problem, Herr Klubobmann? Ich habe damit ein Problem. Solche Attacken auf unabhängige Richter sind unerträglich. (Beifall bei den Grünen.)

Ich möchte abschließend sagen, Herr Innenminister: Ich frage mich, was mit Ihnen wirklich los ist. Ich beobachte Sie jetzt schon seit längerer Zeit, ich habe Sie die vergangenen vier, fünf Jahre beobachtet und habe Sie auch in Situationen erlebt, in welchen Sie als Innenminister sehr, sehr korrekt gehandelt haben. Das war vor allem ganz am Anfang der Fall, als Sie sich bei den Demonstrationen sehr, sehr korrekt verhalten haben. Doch seither stelle ich ein stetiges Gehen nach rechts fest. Ich weiß nicht, wer Ihr politisches Vorbild ist oder wo Sie irgendwann einmal landen wollen. Ein


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