Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 85. Sitzung / Seite 96

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Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Dem Bundeskanzler obliegen nach dem geltenden Bundesministeriengesetz unter anderem die Angelegenheiten der allgemeinen Regierungspolitik und die der staat­lichen Verfassung (Z 1 und 3 des Teils 2 A der Anlage zum BMG). In die Verantwortung des Bundeskanzlers fallen daher alle Fragen der grundsätzlichen Ausrichtung der Regierungspolitik und der Gestaltung der Verfassung.

Im Gegensatz zur Ersten Republik entwickelte sich die Zweite Republik zu einer Erfolgsgeschichte: Soziale Sicherheit und relativer Wohlstand für alle Öster­reicherInnen, Austragung von Konflikten mit demokratischen Mitteln, funktionierende Sozialpartnerschaft und letzten Endes damit verbunden, der Aufstieg Österreichs zu einem der reichsten Staaten der Erde, in dem materieller Wohlstand mit einer hohen Lebensqualität vereint war.

Dieser Erfolg der Zweiten Republik ist ein Erfolg aller Österreicherinnen und Öster­reicher, auf den sie zu Recht stolz sind. Im nächsten Jahr steht ein Jubiläumsjahr bevor, in dem zahlreicher runder Jubiläen unseres Staates gedacht werden soll: 60 Jahre Zweite Republik, 50 Jahre Staatsvertrag und Neutralität, 10 Jahre Beitritt zur Europäischen Union.

Die Bundesregierung plant, mit Millionen Euro Steuergeldern diese Jubiläen zu begehen. Der Bundeskanzler nennt es hochtrabend Gedankenjahr, verschwendet gleichzeitig aber keinen Gedanken daran, wie die politischen Erfolge der Zweiten Republik fortgeschrieben werden könnten und was ihre Voraussetzungen waren. Im Gegenteil: Seitdem er im Jahre 2000 an die Macht gekommen ist, baut er die politischen Grundlagen dieser Erfolgsgeschichte ab, und zwar ganz ohne Verfassungs­reform.

Die Erfolgsgeschichte der Zweiten Republik wäre undenkbar gewesen ohne Einbin­dung aller ÖsterreicherInnen in eine vielfältige demokratische Struktur und Kultur der Mitbestimmung. Eine funktionierende Sozialpartnerschaft war Garant dafür, dass Interessengegensätze in der Gesellschaft zu einem fairen und demokratischen Aus­gleich kamen. Dies wurde zwar vielfach als „Nebenregierung“ verstanden, doch sicherte diese demokratische Einbindung und Kontrolle den wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Aufstieg aller ÖsterreicherInnen, kurz, den österreichischen Weg, um den uns viele andere Staaten beneidet haben.

Dieser gesellschaftliche Grundkonsens und diese demokratische Kultur wurden von der schwarz-blauen Bundesregierung von Anfang an in Frage gestellt: Durch ein­seitiges Diktat, fehlende Einbindung der Betroffenen, „Drüberfahren“ bis hin zur Methode „Speed kills“. Die Aufhebungen verschiedenster Gesetze durch den Verfas­sungsgerichtshof, viele durch die SPÖ herbeigeführt, sind zahlreich : Von der ersten Pensionsreform über die Zivildienstreform, die Ambulanzgebühren, die Unfallrenten­besteuerung bis hin zur Asylgesetz-Novelle und der Hauptverbandsreform. Ungeachtet aller Kritik beschließt die Regierung sehenden Auges weiter verfassungswidrige Gesetze.

Am Vorabend des Jubiläumsjahres werden demokratische Einrichtungen und Institu­tionen, die den Erfolg der Zweiten Republik mit ausgemacht haben, in Frage gestellt. Auf Grund aktueller Entwicklungen ergeben sich daher in vier Bereichen entscheiden­de Fragen an den Bundeskanzler, die die Regierungspolitik und den Umgang mit der Verfassung betreffen.

1. Kürzung der finanziellen Mittel für die Arbeiterkammern

Im Zusammenhang mit der Gesundheitsreform griff die Bundesregierung – wie gleich nach ihrem Amtsantritt – wieder Pläne auf, die Finanzierung der Arbeiterkammern (also


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