Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 85. Sitzung / Seite 98

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Gesetz schafft die Direktwahl des Zentralausschusses der Hochschülerschaft ab. Den über 200.000 österreichische Studierenden soll mit diesem Gesetz die Möglichkeit genommen werden, ihr Studierendenparlament, ihre Vertretung gegenüber der Öffent­lichkeit, dem Parlament und der Regierung, selbst zu wählen. Statt mit einer demo­kratisch gewählten, kritischen Hochschülerschaftsvertretung hätte es die Regierung künftig mit einer relativen Mehrheit der ÖVP-nahen Studentenorgani­sationen zu tun.

Um auf Nummer sicher zu gehen, wird gleichzeitig der ÖH auch die finanzielle Möglichkeit genommen, die Interessen der Studierenden wirksam zu vertreten: Die Mittel der Bundesvertretung werden auf die Hälfte gekürzt, indem in Zukunft 85 % der Mittel der ÖH an die Universitätsvertretungen weitergegeben werden müssen, in denen großteils die ÖVP eine Mehrheit hat. Wie im Fall der Arbeiterkammer wird auch hier über finanzielle Mittel Druck auf politisch unbequeme Interessensvertretungen erzeugt.

Dies folgt einem Grundmuster der Politik der ÖVP unter Bundeskanzler Schüssel: Dort, wo sie es bei Wahlen nicht schafft, eine Mehrheit zu bekommen, verändert sie einfach die Spielregeln, sodass ihr automatisch eine Mehrheit zufällt. Damit zerstört sie aber die demokratischen Voraussetzungen, auf denen der Erfolg der Zweiten Republik beruht.

3. Verfassungswidriger Umbau der Exekutive und Neuausschreibung bis zu 12.000 Posten

Die Bundesregierung Schüssel II hat Anfang Oktober 2004 nach langen internen Streitereien eine Regierungsvorlage zum Sicherheitspolizeigesetz im Nationalrat einge­bracht. Die dabei von Innenminister Strasser angestrebte Zusammenlegung von Gendarmerie und Polizei zu einer zentralen Einheit, die ausschließlich dem Innen­minister unterstellt ist, bricht mit allen Traditionen der Behördenstruktur der Republik Österreich. Eine solche zentrale Einheit ist auch in Europa völlig unüblich. Es ist demokratiepolitisch bedenklich, dass alle Exekutivorgane unmittelbar dem Innen­minister unterstellt sind.

Dazu führte der Rechtsexperte für Innere Sicherheit und ehemalige Sektionschef im BMI Wolf Szymanski im Falter Nr. 42 vom 13.10.2004 aus: „Mit dieser Initiative einer Zusammenführung von Polizei und Gendarmerie beseitigt die Bundesregierung nämlich Fixpunkte, die bislang für die rechtsstaatlich und föderalistisch ausgewogenen Struktur der Sicherheitsexekutive maßgeblich waren. Die in der Öffentlichkeit im Vorder­grund stehende – weil unbestreitbare – Argumentation, es gehe um die Gewinnung von Synergien, stellt nur die Kulisse für die eigene Absicht zur Verfügung: Der Innenminister soll überall direkt durchgreifen können.“

Strasser will also die direkte Befehlsgewalt über die dann gesamte Bundespolizei (Gendarmerie und Polizei) erhalten. An die 30.000 Sicherheitsbeamte, die nur und alleine dem Innenminister verantwortlich sind, deren Fortkommen nur und alleine vom Innenminister abhängt, die also alles für ihren Innenminister zu tun haben. Ein Zustand, der in einem demokratischen Rechtsstaat des 21. Jahrhunderts nicht akzeptabel ist.

Abenteuerlich ist auch die Art und Weise, wie dieses Vorhaben umgesetzt werden soll. Mit Inkrafttreten dieser Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz sind nämlich alle Funk­tionen neu auszuschreiben (Art. 7 der RV). Kurz gesagt: Unzählige Beamte werden ihrer Posten enthoben, dem Innenminister wird freie Hand bei der Neu­besetzung gegeben. Dies bei einem Innenminister, der vom Höchstgericht schwarz auf weiß bestätigt bekommen hat, dass er bei Postenbesetzungen Willkür übt. Über die Anzahl der betroffenen BeamtInnen bestehen unterschiedliche Aussagen. Während der Innenminister in einer Dringlichen Anfrage im Bundesrat vom 5. November 2004 von 5.300 Betroffenen spricht, gehen die betroffenen Gewerkschaftsvertreter von ca.


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