Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 85. Sitzung / Seite 101

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schäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort. – Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

 


15.00

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Es ist eigentlich bedauerlich, dass es notwendig ist, eine Dringliche Anfrage dieser Art hier einzu­bringen, nämlich über die Frage der Gefährdung des Grundkonsenses der Zweiten Republik durch die Bundesregierung. (Abgeordnete der ÖVP verweisen auf leere Plätze in den Bankreihen der SPÖ.) – Sie haben ja die Anfrage vor sich liegen, sie enthält einen Begründungstext und kurze, aber, wie ich meine, sehr präzise Fragen am Ende dieses Textes. Wir hoffen, dass der Herr Bundeskanzler darauf auch eine kon­krete Antwort geben wird.

Wie Sie wissen, war ja die Stärke der Zweiten Republik, dass wir im Gegensatz zur Ersten Republik einen politischen Grundkonsens gefunden haben. Dabei war natürlich sowohl die Einrichtung der Parlamente von großer Bedeutung als auch die Art und Weise, wie man in diesen Parlamenten miteinander umging, als auch die Einrichtung der Sozialpartnerschaft, die zum Aufbau des Wohlstandes, des Reichtums und der Sicherheit dieses Landes entscheidend mit beigetragen hat. Das war das politische System in Österreich.

Wenn wir gerade nächstes Jahr große Gedenkfeiern abhalten werden: 60 Jahre Zweite Republik, 50 Jahre Staatsvertrag, zehn Jahre Beitritt zur Europäischen Union, wofür übrigens viele gemeinsam in diesem Haus Seite an Seite gekämpft haben, dann ist es, wie ich meine, notwendig, dass man im Lichte der Ereignisse, dass man auf der einen Seite im Österreich-Konvent sitzt und darüber nachdenkt, ob man sich eine neue Verfassungsordnung gibt, und versucht, neue Grundwertekataloge in diese Verfassung einzubringen, und es auf der anderen Seite tagespolitische Schritte dieser Regierung gibt, die dem gemeinsamen politischen Grundkonsens widersprechen, darauf hinweist: Das ist eine Vorgangsweise, die natürlich nicht vertrauensbildend ist und die nicht dem politischen Grundkonsens unserer Republik entspricht.

Das fängt gleich einmal damit an, wie man mit den Arbeiterkammern umgeht. Sie werden sich noch an die Zeit erinnern, als die SPÖ unter Bundeskanzler Dr. Bruno Kreisky die absolute Mehrheit hatte. (Abg. Scheibner: Da seid ihr euch immer einig gewesen!) Ich kann mich nicht daran erinnern, dass man damals über die Bun­deswirtschaftskammerbeiträge diskutiert hat und darüber, um wie viel Prozent man sie absenken könnte. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass man damals über das Genossenschaftsrecht von Raiffeisen diskutiert hätte. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass man über die Landwirtschaftskammer diskutiert hat. Ich kann mich aber daran erinnern, dass damals die Position der Bauern eine andere wurde, die Pen­sionsversicherung der Bauern eine andere wurde. An das kann ich mich erinnern. Das war eine liberale Gesellschaft, für die damals die Sozialdemokratie gestanden ist, und nicht eine Gesellschaft, in der man mit Diktat, Repression und letztlich mit politischen und materiellen Drohungen arbeitet, wie Sie das tun. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn ich mich richtig erinnere, ist sogar der Klubobmann der ÖVP Stephan Koren Präsident der Oesterreichischen Nationalbank geworden. Heute muss man sich sogar um einen Portierposten bemühen, wenn man nicht ein schwarzes Parteibuch hat – Modell Niederösterreich, sage ich nur, auf ganz Österreich erstreckt, unter dem Titel: Lieber Erwin, lieber Wolfgang. (Abg. Mag. Molterer: Was ist mit Tumpel-Gugerell ...?) Das sei hier einmal in aller Deutlichkeit gesagt.

Es war die Erfindung der Freiheitlichen, dass man überhaupt über die Kammerumlage zu diskutieren begann. Immer dann, wenn die Arbeiterkammern die Interessen ihrer Mitglieder vertreten haben und unangenehme Wahrheiten in der Öffentlichkeit zu


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