Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 85. Sitzung / Seite 117

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15.58

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Herr Präsident Verzetnitsch, ich habe auch in Ihrer Fraktion einige Du-Freunde, und ich stehe dazu. Aber ich bitte Sie, schicken Sie mir, wenn Sie mir irgendetwas ausrichten wollen, diese Du-Freunde nicht zu mir nach Hause, sondern erklären Sie mir hier Ihre Kritik, denn hier gehört das her – und nicht in die Privatwohnungen von Abgeordneten dieses Hauses! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Herr Kollege Cap! Die „Gefährdung des Grundkonsenses der Zweiten Republik“ wird hier angesprochen, und Kollege Cap erklärt schon, was er damit meint, nämlich: Er möchte die unterschiedlichen Modelle zwischen SPÖ auf der einen Seite und der Regierung aus Freiheitlichen und ÖVP auf der anderen Seite aufzeigen.

Danke für diese Dringliche, Herr Kollege Cap, denn so eine Grundsatzdebatte ist wahrscheinlich notwendig, und ich werde diese Grundsatzdebatte nicht auf der Ebene führen, dass ich frage: Wer hat jetzt bei den Pensionen mehr gemacht?, Wer hat mehr Schulden oder weniger Schulden gemacht?, Wer hat die Steuern erhöht oder gesenkt?, sondern wirklich vom Grundsätzlichen reden, von den zwei auch ideolo­gischen, grundsatzpolitischen Wegen, die Sie hier ansprechen wollten.

Ihren Weg kennen wir – diesen haben Sie über viele, viele Jahre und Jahrzehnte in Österreich vorexerziert. Unser Weg ist jetzt seit vier Jahren in Österreich umgesetzt worden, Herr Kollege Cap.

In Ihrer Dringlichen Anfrage haben Sie in den ersten drei Absätzen etwas ganz Richtiges beschrieben. Die Geschichte der Zweiten Republik war eine Erfolgs­geschichte – des Wiederaufbaus, des Grundsatzes: nie wieder Krieg, nie wieder diese Konflikte zwischen den politischen Parteien, die in der Ersten Republik zu einem furchtbaren Bürgerkrieg und zu undemokratischen Verhältnissen geführt haben. Resultat dieser Erfolgsgeschichte war materieller Wohlstand und sozialer Frieden in Österreich.

In dieser Dringlichen Anfrage sagen Sie auch richtig, dass das der Erfolg der Öster­reicherinnen und Österreicher war. Die Politik hat – und das war auch gut so – den notwendigen Rahmen dazu geboten, dass man dieses Ziel des Wiederaufbaus, des sozialen Friedens und des Erhaltes und Aufbaus des Wohlstandes in die erste Reihe gestellt hat. So weit, so richtig – auch in der Einleitung zu Ihrer Dringlichen Anfrage. (Präsident Dr. Khol übernimmt wieder den Vorsitz.)

Was Sie nicht dazugesagt haben: dass sich dann dieses Bewusstsein, die Parteien arbeiten für Österreich und für die Menschen – denn die Menschen haben dieses Land aufgebaut, und nicht die Parteien –, umgedreht hat.

Vielleicht ist es wirklich so, dass es in Demokratien nie gut ist, wenn es einige wenige ganz große, mächtige Fraktionen gibt, die sich die Macht im Land aufteilen, und die Kontrolle relativ gering ausgeprägt ist: Im Laufe der Jahre und Jahrzehnte ist es nämlich letztlich dazu gekommen, dass die Menschen nicht mehr das Gefühl gehabt haben, sie stünden im Mittelpunkt – auch der politischen Interessen der Parteien –, sondern umgekehrt.

Die Menschen hatten mehr und mehr das Gefühl, dass sie von den Leistungen der Parteien abhängig werden und abhängig waren, dass das Parteibuch für den öffent­lichen Bereich wichtig war, damit man eine entsprechende Position bekam, dass das Parteibuch wichtig und manchmal auch einzige Voraussetzung dafür war, eine leistbare Wohnung zu bekommen, dass das Parteibuch auch der Zugang zu manchen


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