Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 85. Sitzung / Seite 121

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seriös und ernsthaft mit der Problematik auseinander setzt. (Abg. Ellmauer: Das sagen die Grünen! – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Selbsterkenntnis!) Das ist das Wie.

Das andere ist das Was. Das Thema, um das es nämlich heute geht, ist nicht die Frage, ob diese Pensionsreform gerecht ist oder ob man sie in einer anderen Form durchführen kann (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Die Frage habt ihr euch noch nie gestellt!), sondern das Thema ist eigentlich ein ganz sensibles, nämlich Macht, Machtmiss­brauch, der Missbrauch von Mehrheiten und die Frage, wie man damit umgeht, wenn man mittelfristig das Augenmaß verloren hat. – Und ich glaube, Sie haben das Augenmaß verloren, Herr Bundeskanzler! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der SPÖ.)

Wir haben das schon bei mehreren Anlassfällen zu thematisieren versucht: Ich denke, es wäre für eine Republik, die auf eine solche Geschichte zurückblickt, wie wir das tun, sehr angebracht, so etwas wie Demut und auch einen gewissen Respekt vor Macht und vor Andersdenkenden zu haben. Das ist das Thema, das Sie eben nicht verstehen wollen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Viele Menschen haben bei Ihnen sehr stark das Gefühl, dass eine sehr große Arroganz vorhanden ist. Ich glaube nicht, dass der Grundkonsens der Zweiten Republik die Aufteilung zwischen Rot und Schwarz war. Ich habe heute bei der Debatte ein bisschen das Missverständnis gefühlt, dass es darum geht. Ich habe immer gedacht, der Grundkonsens der Zweiten Republik ist ein anderer, nämlich die Erfahrung, die sich in diesem Unterschied, der in Mauthausen und in Auschwitz zwischen Mensch und Mensch gemacht worden ist, manifestiert, und der Konsens, dass es das niemals mehr geben wird.

Das setzt etwas ganz Wichtiges voraus, nämlich den Respekt vor dem Anders­denkenden, den Respekt vor demjenigen, der einer anderen ethischen oder religiösen Orientierung angehört, der kritisch ist. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Das sagen aus­gerechnet Sie!) Ich denke, das Wesen von Demokratie ist es, genau diese Kritiker nicht nur zuzulassen, sondern sie auch zu fördern und das als etwas Positives zu begreifen. Das ist das Wesen von Demokratie: Andersdenkende als Bereicherung, als Vielfalt, als Stärke der Demokratie zu begreifen. Und das vermisse ich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

In Bezug auf diesen Respekt vor Andersdenkenden haben wir in den letzten vier, fünf Jahren einiges erlebt. Es sind tatsächlich Umfärbungen passiert – in der ÖIAG, im ORF. Es sind Redakteure als „weiße Elefanten“ aufs Abstellgleis gestellt worden. (Abg. Kopf: ... etwas unfair!) Auch hier im Parlament findet eine Aushöhlung statt.

Herr Scheibner, das sei Ihnen auch einmal ins Stammbuch geschrieben: Mich wundert es immer, mit welcher Selbstverständlichkeit Sie völlig richtige Kritikpunkte an der Vergangenheit beschreiben. Bis 1999 regierte Rot-Schwarz. Um was es da gegangen ist, dass Anträge nicht zugelassen worden sind, dass unendliche Vertagungspraxis geübt worden ist, dass etwas Logisches, nämlich zum Beispiel ein Minderheitenrecht auf Untersuchungsausschuss, über Jahrzehnte blockiert wird, all das waren Positionen der FPÖ. – Das haben Sie alles vergessen. Sie machen genau dasselbe, und zwar eins zu eins! (Abg. Scheibner: Ist ja nicht wahr!)

Das ist genau derselbe Missbrauch von Mehrheiten und Macht, wie es bei der ÖVP mittlerweile seit Jahrzehnten üblich und an der Tagesordnung ist. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Scheibner: Wir haben als Ausschuss­vorsitzende immer die Geschäftsordnung eingehalten!)

Das, was wir letzte Woche in diesem Parlament diskutiert haben, war eigentlich ein sehr ernstes Thema, nämlich der Umgang mit Kritikern – mit Kritikern, die Bürger und


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