Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 86. Sitzung / Seite 109

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Belastungen – ich kann das Wort schon nicht mehr hören! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Sie dürfen sich nicht wundern, wenn die Leute im Fernsehen etwas Medizinisches se­hen, dass sie dann zum Arzt gehen und sagen, ich will das auch haben. Der braucht nur eine Medizinsendung gesehen zu haben und sagt dann, ich möchte das auch ha­ben – und das steht ihm auch zu. Wir müssen unseren Sonntagsreden im Parlament auch Taten folgen lassen.

Die Bürokratie im Gesundheitswesen wird durch diese Reform auch berührt. In Ameri­ka sind die Kosten durch sinnlose Dokumentationsbürokratie doppelt so hoch, weil es sehr viele Privatversicherungen gibt mit sehr unterschiedlichen Leistungskatalogen, sodass ein Patient im Spital erst einmal gescreent werden muss, in welche Versiche­rung er hineinpasst, und geschaut werden muss, ob die Medikamente, die Operationen davon erfasst sind, wie viel Selbstbehalt er zahlen muss und so weiter.

In Österreich ist die Bürokratie Gott sei Dank nicht so groß. International gesehen geht der Trend eher in Richtung Bürokratie, in Richtung Absicherung, was 10 Prozent der Gesundheitskosten europaweit ausmacht; dieser Wert wird leider weiter steigen. Ich hoffe, dass durch das Telematikgesetz und durch eine sinnvolle Dokumentation, die wir brauchen, aber nicht überbordende Dokumentation, die dann irgendwo im Keller lan­det, sichergestellt ist, dass wir nicht nutzlos Geld und Zeit vernichten.

Das ist nicht selbstverständlich, meine Damen und Herren! In Holland ist der Trend ganz ein anderer. In Holland werden radikal die Spitalsbetten abgebaut, radikal die Selbstbehalte erhöht, und zu allem Überdruss wird bei 3 200 Menschen pro Jahr Ster­behilfe geleistet, die Dunkelzahl ist noch einmal so hoch.

Zeigen Sie mir einen Apalliker, der dort freiwillig sagt, ich will Sterbehilfe! Die werden ja gar nicht mehr gefragt.

 


Präsident Dr. Andreas Khol: Herr Abgeordneter! Was ist ein Apalliker? Wir sind alle keine Mediziner. Die Staatssprache ist Deutsch.

 


Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (fortsetzend): Ein Apalliker ist jemand, der de facto hirntot ist und bei dem nur mehr die Organe funktionieren, aber das Hirn nicht. Wir ha­ben in Österreich zirka 150 Patienten, die bedauerlicherweise in ein apallisches Syn­drom hineinfallen. In Holland gibt es de facto diese Patienten nicht mehr, weil sie ver­mutlich Sterbehilfe wollten, aber sich wahrscheinlich nie dahin gehend äußern konnten. Das Gesetz erlaubt das. Wir haben das in Österreich verhindert, und darauf sind wir stolz. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Nehmen Sie England her: 1,3 Millionen Leute stehen auf der Warteliste für Operatio­nen, 100 Spitäler müssen neu gebaut werden, weil nichts vorhanden ist, 15 000 Ärzte und 25 000 Schwestern werden in ganz Europa „zusammengekauft“, die Notfallversor­gung funktioniert überhaupt nicht. Acht Jahre wird es dauern, bis man in England eine funktionierende Notfallversorgung haben wird, dass man abgeholt wird, wenn man einen Herzinfarkt hat. So schaut es aus.

Wenn Sie heute im Gesundheitswesen einen Fehler machen, dann rächt sich das in zehn Jahren. Sie brauchen dann aber zehn Jahre, um den Fehler wieder zu korrigie­ren.

Die größte Sorge macht mir die Bundesrepublik Deutschland. Dort wurden die Kom­munen finanziell ausgehungert, im Gegensatz zu Österreich, denn wir haben das im Finanzausgleich sichergestellt, gemeinsam mit den SPÖ-geführten Bundesländern. Zweitens führt man dort eine ziemlich brutale leistungsorientierte Finanzierung ein, was zu Folgendem führt: Die Kommunen können sich die Spitäler nicht leisten. Die Aktien-


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