Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 89. Sitzung / Seite 111

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Wenn man alle drei deutschsprachigen Länder heranzieht – Deutschland, Österreich und die Schweiz –, dann sieht man, es schneidet die Schweiz eindeutig am besten ab, dann kommt die Bundesrepublik Deutschland und dann erst Österreich.

Meine Damen und Herren! Dieses dramatische Abstürzen finde ich beunruhigend, aber noch beunruhigender finde ich das, was sich hinter den Durchschnittszahlen verbirgt. Das hat sich schon bei der PISA-1-Studie vor drei Jahren abgezeichnet. Wie schnei­den österreichische Schülerinnen und Schüler erstens im obersten Bewertungsbereich und zweitens im untersten Bewertungsbereich ab? – Schon vor drei Jahren waren die Alarmzeichen nicht zu übersehen, dass Österreichs Schülerinnen und Schüler im obersten Bereich zwar ganz guter Durchschnitt sind, aber bei weitem nicht so gut ab­schneiden wie etwa Australien, Neuseeland – Finnland sowieso – und sogar das Ver­einigte Königreich, das ja bekanntlich auch nicht gerade eine homogene Bevölkerung aufweist.

Im untersten Bereich, zum Beispiel beim Lesen, wo man sagen muss, wir bilden de facto etwas heran, was man fast als – ich möchte niemandem zu nahe treten –„funktionale Analphabeten“ bezeichnen muss, Leute, die zwar lesen können, aber den Text nicht verstehen, waren wir schon damals überdurchschnittlich besetzt. Das Er­gebnis in der neuen Studie, meine Damen und Herren, ist nun schlichtweg katastro­phal, wenn wir nur die Lesekompetenz heranziehen. Österreich hat da bei den 15- und 16-Jährigen 20 Prozent dieser untersten Kategorie zuzuordnen, das heißt also, jener Kategorie, bei welcher der PISA-Test gerade noch testen kann, dass überhaupt eine Lesekompetenz vorliegt, beziehungsweise zur Schlussfolgerung kommt, dass die Kenntnisse, die Kompetenzen so schwach sind, dass man sie gar nicht testen kann.

20 Prozent eines Jahrgangs fallen in diese Kategorie, meine Damen und Herren! Das sind in absoluten Zahlen rund 18 000 Burschen und Mädchen, die wir auf diese Art in die Arbeitswelt, in die Lebenswelt entlassen?! Wie werden sie auch nur einfache Ar­beitsanweisungen schriftlicher Art verstehen und befolgen? – Was hier heranwächst, ist eine Art Hilfsarbeiterkolonne, wenn man so will, der nächsten 10, 15, 30 Jahre.

Vor 30 Jahren wäre das vielleicht noch nicht so schlimm gewesen, denn damals hat es diese Hilfsarbeiterjobs gegeben, aber heute wissen wir doch, dass deren Zahl Jahr für Jahr abnimmt und dass sich gerade in diesem Bereich für die wenig Qualifizierten, für die wenig Gebildeten immer weniger Jobs auftun. Das ist ein Alarmzeichen allerhöchs­ten Ranges! Ich finde, das geht uns alle an. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Gusenbauer.)

Das geht uns alle an, nicht nur die Eltern dieser betroffenen Kinder, sondern uns alle, auch uns eher höher Gebildete hier, nehme ich einmal an, die 183 im Nationalrat, de­ren Kinder vielleicht nicht in diese Kategorie fallen. Es darf und kann uns nicht gleich­gültig sein, was da passiert. Abgesehen davon ist überhaupt nicht einzusehen, dass es passiert. Wieso sind in Neuseeland und Australien um ein Drittel der SchülerInnen, in Finnland um drei Viertel weniger in dieser untersten Kategorie?

Wie waren die ersten Reaktionen? – Ich will mich nicht sehr lange damit aufhalten, aber ein bisschen befremdend war es schon, was passiert ist. Der von mir ansonsten geschätzte Ex-Minister Busek meinte, die 68er-Generation sei schuld. Jetzt zähle ich mich zu diesen 68ern; ich war damals genau im richtigen Alter, 24. Meine Kinder sind längst aus der Schule draußen. Ich weiß nicht, warum meine Generation für diese Er­gebnisse der 15- und 16-Jährigen verantwortlich sein soll. Lassen wir es dabei bewen­den! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Frau Bundesministerin, von Ihnen kam eine ganz befremdende Aussage: Die Eltern sind – ich weiß nicht – schuld, verantwortlich, mitverantwortlich. – Ich entnehme der heutigen Ausgabe des „Standard“, dass Ihre Äußerungen redigiert worden sind. Es ist


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