Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 89. Sitzung / Seite 120

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Das Beste vom Besten, was Sie heute gemacht haben, war Ihr Hinweis auf die Nieder­lande. Das letzte Mal war Ihr Beispiel Deutschland, aber das taugt jetzt anscheinend nicht mehr. Sie haben in den letzten Jahren die absurde Behauptung vertreten, Deutschland hätte ein Gesamtschulsystem. Jeder Bildungsexperte fällt da oben vom Balkon herunter, wenn Sie behaupten, Deutschland hätte ein Gesamtschulsystem. Deutschland hat eines der differenziertesten Schulsysteme, die es überhaupt gibt, und dort gibt es etwas, was sich „Additive Gesamtschule“ nennt. Das heißt, es gibt die Möglichkeit (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Es ist noch immer keiner heruntergefallen!), sich für eine Gesamtschule anzumelden, die neben einem Gymnasium und neben einer Schule, die sich bei uns Hauptschule nennt, besteht, und zirka 10 Prozent der Schüler gehen in einzelnen Bundesländern in eine solche zusätzlich angebotene Schulform.

Das ist das Gegenteil eines Gesamtschulsystems, das ist die Ausdifferenzierung zum Quadrat, aber Sie haben jahrelang behauptet: Wir sind super! – Ich kann Ihnen das auch vorlesen, ich habe vorgestern den „Report“ gesehen.

Im Übrigen: Der jetzige Herr Präsident Khol ist hier vor zwei oder drei Jahren gestan­den und hat gesagt: Wir waren viel besser als Deutschland, und die sind ganz schlecht, weil sie eine Gesamtschule haben, und wir haben keine, deswegen sind wir besser!

So kann man doch keine Bildungsdiskussion führen! Jeder Bildungsexperte greift sich auf den Kopf, wenn er solche Argumente hört! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Dr. Jarolim: Der Khol ist unseriös, das wissen wir!)

Und heute kommen Sie mit den Niederlanden daher!? Ich weiß nicht, haben Sie da wieder falsch nachgeschaut? Wissen Sie, wie das niederländische Schulsystem aus­schaut? Wie lange dauert die Grundschule in den Niederlanden? – Sieben Jahre! Sie­ben Jahre gemeinsame Grundschule in den Niederlanden! Das ist im Prinzip das, was wir unter gemeinsamer Schule, Gesamtschule oder was auch immer verstehen. Aber Sie kommen hierher und sagen: Nein, die Niederlande haben diesmal gut abgeschnit­ten, und die haben ein differenziertes Schulsystem; also diskutieren wir nicht über eine gemeinsame Schule!

Sieben Jahre lang gibt es gemeinsames System, dann erst wird aufgegliedert! Es hat niemand eine gemeinsame Schule bis 28 verlangt. Es dürfen auch in Österreich die Menschen dann studieren, Ärzte werden (Abg. Dr. Rasinger: Na Gott sei Dank!), Pro­fessoren werden – das ist alles erlaubt! Es müssen nicht alle bis 28 die gleiche Be­rufsausbildung haben. Es geht aber sehr wohl darum, wie lange es eine gemeinsame Bildung, gemeinsame Förderung gibt und wann man den Versuch ansetzt, auszudiffe­renzieren und verschiedene Angebote zu machen.

Sie haben vermutlich auch die Aussagen gelesen, die zum Beispiel von einem Dr. Schleicher, seines Zeichens OECD-Bildungsexperte, dazu gemacht worden sind. Er hat Ihnen in den letzten Tagen ausrichten lassen – ich zitiere –: PISA-Chef Schlei­cher bezeichnet es als Problem, „Schüler durch ein differenziertes Schulsystem ,in Schubladen zu stecken“, und genau das mache Österreich! Dadurch habe „in Öster­reich der soziale Hintergrund“ wesentlichen Einfluss „auf die schulische Leistung“.

Genau darum geht es. Es geht uns darum, endlich davon wegzukommen, dass Öster­reich neben Deutschland jenes Land ist, in dem die sozialen Hintergründe die größte Entscheidungskraft für die weitere Bildungskarriere haben. Sie haben es in den letzten Jahren ganz massiv mitzuverantworten, dass dieser Unterschied je nach sozialer Her­kunft viel größer geworden ist.

Wir werden Ihnen diese Diskussion nicht ersparen. Sie können auch weiter von „Zwangsganztagsschulen“ reden. Sie behaupten, Sie hätten niemanden diffamiert. Ich


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