Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 90. Sitzung / Seite 36

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Aber niemals zuvor wurde derart drastisch vorgegangen wie jetzt. Man muss sich vorstellen, die studentische Selbstverwaltung, die ÖH und die Direktwahl, wurden zu einem Zeitpunkt geschaffen, als es Mehrheitsverhältnisse des RFS, der ÖVP-Studen­ten gab. Jahrzehnte hindurch hat das weder sozialdemokratisch geführte Regierungen noch sozialdemokratische Alleinregierungen gestört, es war ein normales demokra­tisches Prinzip. Jetzt gibt es zum ersten Mal im Zentralausschuss eine Mehrheit von Rot und Grün, und was macht die ÖVP – und mit ihr als Steigbügelhalter die FPÖ? – Sie ändern das Wahlrecht so, dass bei gleich bleibenden Stimmergebnissen in Zukunft eine schwarze Mehrheit vorhanden ist.

Wenn man demokratische Gesetze einmal so missbraucht, dass man Wahlergebnisse uminterpretieren kann, dass in Zukunft andere Ergebnisse herauskommen, dann, Herr Molterer, ist das ein ganz massiver Demokratieabbau, den Sie hier zu verantworten haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Was dadurch zum Ausdruck kommt, ist eine Gesinnungsfrage. Wir haben in den letzten Wochen mehreres erlebt. Als es die Debatte über die Pensionsreform gab und die Arbeiterkammer auf Punkt und Beistrich vorgerechnet hat, welche dramatischen Auswirkungen die Pensionsreform für die Betroffenen hat, hat die Regierung gesagt: „Rote Gräuelpropaganda!“

Es hat sich herausgestellt, dass alle Rechnungen gestimmt haben (Rufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen: Nein!), das Sozialministerium hat das bestätigen müssen. Und was war die Reaktion von Seiten der Regierung? – Man muss die Arbeiterkammer in ihren Möglichkeiten beschneiden, man muss die Beiträge einfrieren oder senken. Alles nach demselben Muster: Wer in Österreich qualifiziert Kritik an dieser Regierung übt, soll in seinen Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt werden! – Das ist ein unwürdiges Vorgehen knapp vor dem Beginn eines Jubiläumsjahres, in dem die Wiedererstehung der Demokratie in unserem Land gefeiert werden soll. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Daher ist der heutige Tag, meine sehr geehrten Damen und Herren, eigentlich ein trauriger Tag für das Parlament, denn der heutige Tag ist zusammenzufassen als „Tag des Demokratieabbaus“. Das, was Sie heute hier in zwei Schritten vollziehen – erstens beim Hauptverband, zweitens beim ÖH-Gesetz, als zwei konkrete Ausdrucksformen Ihrer Gesinnung, Ihrer Haltung, die Sie in vielen Beispielen in den letzten Wochen an den Tag gelegt haben –, führt dazu, dass man den heutigen Tag als den „Tag des Demokratieabbaus“ bezeichnen muss.

Es ist des österreichischen Parlaments nicht würdig, 60 Jahre nach der Gründung der Zweiten Republik, in der immer wieder darüber diskutiert wurde, wie man die Demo­kratie ausbauen, wie man sie verbessern, wie man die Teilnahmemöglichkeiten der Bürger verbessern kann, heute herzugehen, kurz, bevor das Jubiläumsjahr beginnt, und einen massiven Demokratieabbau zu betreiben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist Zeit, dass Ihr Machtrausch beendet wird, dass Ihre brutale Machtpolitik (Abg. Steibl: Was ist das für eine Sprache?! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen), die auch vor der Änderung von Gesetzen nicht Halt macht, dass diese Machtpolitik beendet wird. Bei den nächsten Wahlen werden Ihnen die Menschen die Rechnung dafür präsentieren. Es ist an der Zeit! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wenn Sie sich schon von der Opposition und von vielen Experten und Journalisten nicht ins Gewissen reden lassen wollen, dann lesen Sie doch zum Beispiel die Aus­sagen des früheren Präsidenten Heinrich Neisser über den Umgang der ÖVP mit dem Rechtsstaat, den Umgang der ÖVP mit rechtsstaatlichen Traditionen nach! (Abg. Großruck: Lesen Sie die Aussagen des Herrn Dr. Androsch, was der über Sie sagt!) –


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