Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 90. Sitzung / Seite 35

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Präsident Dr. Andreas Khol: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 1 bis 4 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Die ersten beiden Vorlagen werden in der ersten Hälfe des Vormittags diskutiert, die beiden weiteren Vorlagen danach.

Bei allen vier Tagesordnungspunkten wurde auf eine mündliche Berichterstattung ver­zichtet, wir gehen daher sogleich in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Gusenbauer; seine Redezeit beträgt 8 Minuten.

Ich bitte die Damen und Herren des Hohen Hauses noch einmal, dem Redner nicht den Rücken zuzuwenden!

Bitte, Herr Kollege.

 


10.01

Abgeordneter Dr. Alfred Gusenbauer (SPÖ): Herr Präsident! Mitglieder der Bun­desregierung! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Diskussion über die Reform des Hauptverbandes ist die Konsequenz des Dauerkonflikts dieser österreichischen Bundesregierung mit der österreichischen Verfassung. Wir diskutieren das heute deswegen, weil der Verfassungsgerichtshof die alten Reformen des Haupt­verbandes aufgehoben hat, die im Wesentlichen nur eines zum Ziel hatten: die Machtverhältnisse dort so zu verändern, dass eine Privatisierung des österreichischen Gesundheitssystems leichter möglich ist.

Das, was heute vorliegt, setzt den bisherigen Bestrebungen die Krone auf, denn der künftige Hauptverband wird im Wesentlichen durch zwei Charakteristika bestimmt: Erstens, dieser Hauptverband wird zu 100 Prozent in den Einflussbereich der ÖVP wandern, also eingeschwärzt; und zweitens werden in diesem Hauptverband die Ver­treter von 300 000 Unternehmen die Vertreter von 3 Millionen Arbeitnehmern, sprich von Arbeitern und Angestellten, majorisieren können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das hat mit einer demokratischen Struktur überhaupt nichts mehr zu tun! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Wenn schon in der Demokratie gilt: ein Mensch – eine Stimme, wieso soll das dann im Hauptverband nicht gelten? Warum zählt die Stimme eines Unternehmervertreters zehn Mal soviel wie die Stimme eines Arbeitnehmervertreters? (Zwischenruf des Abg. Dr. Stummvoll.) – Herrn Stummvoll ist das recht (Abg. Dr. Stummvoll: Nein!), denn der will schon lange solche Verhältnisse haben. Das ist nämlich sein Demo­kratieverständnis, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen. – Abg. Ellmauer: Können Sie nicht einmal sachlich bleiben?!)

In Wirklichkeit ordnet sich ja diese Veränderung im Hauptverband in das Gesamt­konzept des Demokratieabbaus von Seiten der ÖVP ein. Wir haben ja heute nicht nur den Hauptverband auf der Tagesordnung, sondern auch eine Änderung des ÖH-Gesetzes. Und was dort passiert, ist ziemlich klar: Das erste Mal in der Geschichte wird die Direktwahl zu einer österreichweiten Vertretung abgeschafft – das erste Mal in der Geschichte der Zweiten Republik!

Damit ist klar: Mit dieser Veränderung des Hauptverbandes und mit der Änderung des ÖH-Gesetzes setzt die ÖVP ihren Demokratieabbau fort. Und das ist schädlich für unser Land, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es gibt ja eine ganze Liste von Institutionen, die anzuführen wäre, die die ÖVP sich in ihrem Machtrausch in den letzten vier Jahren versucht hat, unter den Nagel zu reißen.


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