Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 90. Sitzung / Seite 77

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Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Grünewald zu Wort. Redezeit: 8 Minu­ten. – Bitte. (Abg. Dr. Grünewald begibt sich zum Rednerpult und platziert dort einen Gegenstand, der die Abbildung eines Gesichtes mit zugenähtem Mund trägt.)

 


11.53

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte ZuhörerInnen auf der Galerie! Mir ist schon klar, dass Politik und Macht ein Bruder- und Schwesternschaftsverhältnis haben. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Das kennt ihr ja aus Oberösterreich, gell?) Trotzdem sollte man dieses Verhältnis von Politik und Macht natürlich untersuchen, und hier und heute geht es, auch wenn Brinek das nicht wahrhaben will, um das notwendige Augenmaß bei Machtausübung und auch um den Missbrauch von Macht. Ich sage das ganz bewusst. Wenn es nämlich in den letzten Jahren, Monaten und Tagen zur Gewohnheit gewor­den ist, dass bald jedes Mittel recht ist, um kritische Menschen und kritische Gruppen ihrer Stimme zu berauben, hört sich für mich jedweder Spaß auf!

Wenn Macht so ängstlich und so beharrend wird, dass dadurch fast pathologische Kontrollzwänge erwachsen – die den ORF, die Krankenkassen, den Hauptverband, Asylsenate und nunmehr die ÖH betreffen –, dann ist das mehr als ein Verlust an Augenmaß: Das ist für mich ein Sittenbild, das beschämend ist! Und ich halte es auch für ein gefährliches Sittenbild, denn kritische Gruppen in Ohnmacht und Resignation zu treiben, kann nicht politischer Wille einer demokratischen Partei und einer demo­kratisch gewählten Regierung sein. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn diese Bundesregierung ihre Mehrheit missbraucht, um über Studierende Macht zu ergreifen, produziert sie eben ein Volk von „Ergriffenen“, und diese „Ergriffenheit“ hat mit Adventstimmung nichts zu tun. Das ist eine andere Art von Ergriffenheit, die meiner Meinung nach berechtigten Ärger auslöst. Und dieser Ärger – das sage ich euch oben auf der Galerie – soll und darf kein privater Ärger mehr sein, kein Ärger des Biedermeiers, kein Ärger einer milden Melancholie. Er soll nicht zur Resignation füh­ren, sondern bevor dieser Ärger zur Resignation führt – weil die Betreffenden nichts erreichen können, weil die Bundesregierung es ihnen verwehrt, oder euch verwehrt –, ist es mir lieber – und ich halte es für notwendig –, dass dieser Ärger einen demo­kratischen, gewaltfreien Widerstand auslöst (Rufe bei der ÖVP: Gewaltfrei! Gewalt­frei!), der ein öffentlicher Widerstand sein muss, der ein hör- und sichtbarer Wider­stand sein muss – für Österreich und für die Demokratie in Österreich! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Spürbar!) Ja, spürbar, aber spürbar im Kopf!

Die Abschaffung der Direktwahl der ÖH ist eine Zäsur in der Zweiten Republik – und die Motive, die mir dafür genannt werden, sind schwach und dürftig! Es wird immer wieder die Autonomie der Universitäten genannt. Frau Bundesminister Gehrer! Wir haben lang über diese Autonomie diskutiert. Wo ist diese Autonomie? – Überall außer im Parlament dürfte ich sagen: Das ist die grobe Unwahrheit! Die Autonomie der Universitäten schaut so aus: Senate geschwächt; Rektor zwar gestärkt, aber einem übermächtigen, bestimmenden Universitätsrat gegenübergestellt, der zu 50 Prozent von der Regierung beschickt wird. – Das ist Ihrer Meinung nach Autonomie!

Weiters: Der Rat für Forschung und Technologieentwicklung, der vielfach auch über die Gelder der Unis bestimmt: von der Regierung bestimmt! Der Nationalfonds, der Forschungsgelder an die Unis verteilt: von der Regierung ernannt! – Das ist Auto­nomie, Frau Brinek? Oder ist das eben keine?

Und das möchte ich wirklich wissen: Was ist passiert mit der Rektorenkonferenz? (Abg. Dr. Brinek: So ... wie nie zuvor!) Sie wurde ein Verein! Professorenkonferenz, Bundeskonferenz des wissenschaftlichen Personals aufgelöst! Alle bundesein­heitl-


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