Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 92. Sitzung / Seite 32

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dass man rasch, nicht in Jahren, sondern in Monaten, Alternativen zu dieser Vollmit­gliedschaft diskutiert, und zwar so, wie wir es vorgeschlagen haben: eine Partnerschaft für Europa, für all jene Länder, die nicht Vollmitglied der Europäischen Union werden können oder werden wollen, in der wir aber diese bilateralen Beziehungen zwischen der EU und Türkei klar definieren und auch rasch in die Praxis umsetzen können. Da haben sich leider Theorie und Praxis auch in der Europäischen Union wieder einmal sehr weit auseinander entwickelt.

Niemand hat hier klar gesagt, dass die Türkei die Kriterien erfüllt. Es stimmt: Es werden Reformen gemacht. Aber, meine Damen und Herren, in die Wertegemeinschaft der Europäischen Union aufgenommen zu werden, dafür ist mehr notwendig, als nur irgendwelche reversiblen Gesetze in einem Parlament zu beschließen. Bei diesen Werten im Bereich der Menschenrechte, im Bereich der Minderheitenrechte, im Bereich der Toleranz gegenüber Frauen, im Bereich der Toleranz gegenüber Anders­denkenden und im Bereich der Toleranz gegenüber anderen Religionen geht es darum, ob diese Maßnahmen, ob diese Werte auch von der Gesellschaft mitgetragen werden. Und Sie wissen ganz genau, dass das in der Türkei nicht der Fall ist.

Es ist auch immer die Frage: Sind Reformen irreversibel oder sind sie umkehrbar? – Und die Reformen, die in der Türkei gemacht werden, sind eben leider nicht unum­kehrbar. Wir alle schauen vor jeder Wahl mit Sorge in die Türkei, ob nicht irgendwelche radikalen Gruppen stärker ans Ruder kommen. Wir schauen mit Sorge in Richtung Türkei, wie die Machtstellung der Armee zu beurteilen ist.

Selbstverständlich ist uns das nicht egal, denn wir alle hoffen, dass die Demo­kra­tisierung weitergeht, aber wenn sie in eine andere Richtung geht, dann hat das für uns alle Auswirkungen. Umso massiver sind diese Auswirkungen, wenn es ein EU-Mitgliedsland betrifft, und das müssen wir im Interesse Europas, im Interesse der Europäischen Union verhindern, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheit­lichen.)

Ein letztes Argument: die Anerkennung Zyperns. Denken wir doch nur an diese Win­kelzüge – ich darf das so sagen –, die gemacht wurden, weil die Türkei nicht bereit war, offen zu sagen: Ja, wir anerkennen auch politisch die Republik Zypern als Mitgliedsland dieser Europäischen Union! Wenn das schon ein Problem ist, das offen und ehrlich zu sagen, dann frage ich mich wirklich: Was haben Beitrittsverhandlungen für einen Sinn?

Man darf auch nicht vergessen, dass nach wie vor türkisches Militär einen Teil des EU-Mitgliedslandes Zypern besetzt hält.

Das alles lässt doch wirklich die Frage zu: Wieweit nehmen sich die Verantwortlichen der Europäischen Union selbst noch ernst, wenn sie von Grundwerten dieser Union sprechen? Außerdem wissen sie ganz genau, dass sich die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung gegen diese Initiativen ausspricht.

Wir haben das klar zum Ausdruck gebracht, auch im Hauptausschuss – die Entschei­dungen sind anders gefallen. Jetzt geht es für uns darum, dass sichergestellt wird, dass in Österreich, wenn diese Verhandlungen – was wir nicht hoffen – am Ende in Richtung Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union ausgehen, die Bevöl­kerung, die letztlich auch die Rechnung dafür zu bezahlen haben würde, die Ent­scheidung trifft.

Herr Kollege Cap, es war schon interessant, was Sie 30 Sekunden vor Abschluss Ihrer Rede hier noch dahergeredet haben. Sie haben gesagt, nachher dürfe man nicht abstimmen, sondern da müsse man das Volk vorher irgendwie befragen. – Sie wollen


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