Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 93. Sitzung / Seite 38

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

brauchen und wollen. Diese Menschen wissen nämlich genau, je mehr wir hier streiten, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich etwas ändert.

Wir haben in den letzten Wochen zarte Pflänzchen erlebt, sodass es danach aussieht, als ob es hier im Parlament auch zu einem Konsens über Reformen kommen könnte. Wir müssen sehr aufpassen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass diese Pflänzchen nicht wieder zertreten werden. Sie sind noch zu schwach, um wirklich aufkommen zu können – diejenigen die sich schon lange mit Bildungspolitik beschäftigen, wissen, was ich damit meine.

Es ist natürlich reizvoll und auch richtig, wenn wir sagen, Frau Bundesministerin, es stimmt nicht. Es stimmt ganz einfach nicht, dass uns diese Ergebnisse nichts sagen, Kollege Amon! Natürlich sagen uns diese Ergebnisse der PISA-Studie sehr viel, und sie sagen uns auch, dass wir viel tun müssen, sehr viel ändern müssen. (Abg. Dr. Bri­nek: PISA sagt gar nichts über unsere ...!)

Frau Kollegin Brinek, im Jahre 2000 sind wir mit unseren Ergebnissen im Bereich der Naturwissenschaften noch an sechster Stelle gelegen – stellen Sie sich das vor, das ist ein sehr guter Platz gewesen! –, drei Jahre später liegen wir an der 20. Stelle. Stellen Sie sich diese Grafik einmal vor! Wo liegen wir dann im Jahr 2006, also bei der nächsten Untersuchung? – Dann können Sie den Punkt unter dem Tisch suchen. So schlecht wird es dann ausschauen, und darauf sollten Sie sich nicht freuen, sondern da sollten Sie etwas tun. (Beifall bei der SPÖ.)

Worum geht es denn? – Natürlich geht es darum, dass ganztägige Schulen wesentlich besseren Unterricht bieten und dass ganztägige Schulformen die Möglichkeit schaffen, vor allem die schwächeren Kinder zu fördern, und das sollte Ihnen, Kollege Amon, als Arbeitnehmervertreter am meisten zu denken geben. Die Schule gibt nach neun Jahren 20 Prozent der Kinder viel zu wenig mit ins Leben gibt, sie können nicht aus­reichend lesen, sie können nicht ausreichend Mathematik. Das ist das dramatische Ergebnis.

Es geht nicht darum, dass unsere AHS-Schülerinnen und -Schüler so gut sind wie jene in Finnland. Das ist kein Wunder, wenn wir die besten aussuchen und in eine eigene Schule stecken. Das Dramatische ist es, dass wir viel zu viele Kinder, viel zu viele Jugendliche in unserem Schulsystem zurücklassen, und das ist eine Verantwortung, die diese Regierung endlich wahrnehmen muss: nämlich etwas für diese Kinder zu tun! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Natürlich ist die gemeinsame Schule der 6- bis 15-Jährigen nicht das Allheilmittel, aber reden Sie einmal mit erfahrenen Lehrerinnen und Lehrern. Was sagen Ihnen diese, Kollege Neugebauer, Sie waren ja selbst lange Zeit Lehrer? – Ich habe vor kurzem mit einem Hauptschullehrer gesprochen, der ungefähr 40 Jahre lang tätig war und jetzt vor der Pension steht. Er meinte: Mein größtes Problem ist es, wenn ich in einer Klasse keine Schüler habe, die vorangehen, die „ziehen“, die diese Klasse mitnehmen, weil die alle im Gymnasium sitzen. Das ist natürlich ein Problem unseres selektiven Schul­systems, und da warten wir bisher vergeblich auf Vorschläge, Frau Bundesministerin! Ich würde mir erwarten, dass Sie sich da inhaltlich bewegen und dass sich auch die ÖVP da inhaltlich bewegt. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben in den letzen Monaten aus dem Mund der Regierungsparteien beinahe ein Feuerwerk an Ankündigungen gehört, was sich alles ändern werde. Ein Journalist hat mich gefragt: Seid ihr nicht beleidigt, dass jetzt die Ministerin so viele Vorschläge aus eurem Programm aufgreift? – Darauf habe ich gesagt: Nein, wir sind nicht beleidigt, denn es geht uns in erster Linie um die Kinder, es geht uns um die Jugendlichen, und es geht uns darum, dass das Richtige getan wird.

 


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite