Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 93. Sitzung / Seite 56

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im Dezember vergangenen Jahres richtete Präsident Khol kurz vor dem Nach-Hause-Gehen einen Appell an alle Klubobleute und auch an den Bundeskanzler: Bitte, in den nächsten 14 Tagen keine Sondersitzung und bitte, Herr Bundeskanzler, keine Regie­rungsumbildung! – 14 Tage, das ist sich ausgegangen (Abg. Scheibner: Und auch keine Sondersitzung!), aber mittlerweile haben wir bei fast jeder Nationalratssitzung eine Regierungsumbildung zu diskutieren. Ich fühle mich inzwischen wie in dem Film – ich weiß nicht, wer ihn noch kennt – „Und täglich grüßt das Murmeltier“, wo man jeden Morgen aufwacht und immer denselben Tag erlebt, immer dieselben Reden, immer dasselbe. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Mag. Molterer: Wer ist das Murmeltier bei den Grünen?)

Das Überraschungsmoment hält sich mittlerweile in Grenzen. Ich wäre eher über­rascht, wenn diese Bundesregierung einmal kontinuierlich ein paar Monate hindurch in derselben Besetzung zusammenarbeiten würde.

Es ist auch immer dasselbe, was Klubobmann Molterer zu derartigen Anlässen sagt: Der scheidende Minister wird gelobt, dann wird der Blick in die Zukunft gerichtet, und dann wird meistens die Pensionsreform gelobt; diese bietet sich immer sehr gut dafür an.

Man muss sich einmal diese vorläufige Bilanz vor Augen führen. Es gab in nicht einmal fünf Jahren, seit es Schwarz-Blau in Österreich gibt, drei Verkehrsminister, drei Sozial­minister, drei Justizminister, drei Vizekanzler. (Abg. Steibl: Und die Glawischnig war nie dabei! – Heiterkeit.) – Bis jetzt noch nicht. Bei den Freiheitlichen ist das offensicht­lich ein Training-on-the-job, es kommt jeder einmal dran. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Ich frage mich: Was haben die Österreicherinnen und Österreicher davon, dass Sie Posten im Verkehrsbereich besetzen – mittlerweile sind es fast zwanzig blaue Posten­schacherbesetzungen –, dass immer wieder Türschilder ausgetauscht werden, dass darüber spekuliert wird, wer jetzt in der FPÖ wirklich das Sagen hat, der Bruder oder die Schwester oder gibt es eine Doppelspitze? Logisch ist auch, dass der neue Staats­sekretär aus Kärnten nachbesetzt wird. (Abg. Dipl.-Ing. Scheuch: Bezweifeln Sie die Kompetenz von Sigi Dolinschek?) Das ist alles so vorhersehbar. Aber was haben die Österreicherinnen und Österreich davon? Kontinuierliche Arbeit? Vielleicht mehr soziale Gerechtigkeit? – Unterm Strich sicher nicht! (Beifall bei den Grünen.)

Die großen Projekte, Stichwort Frauenpolitik. – Ich frage Sie: Ist in den letzten fünf Jah­ren tatsächlich irgendetwas für die Verbesserung der Situation der Frau getan worden? (Rufe bei der ÖVP: Ja! Ja, natürlich!)

Wir haben heuer im Herbst eine sehr beunruhigende Statistik vor Augen geführt be­kommen, nämlich: Die Gesamtarbeitslosigkeit ist dramatisch hoch; die Männerarbeits­losigkeit sinkt, aber die Frauenarbeitslosigkeit steigt dramatisch an. Wissen Sie, was an diesem Tag passiert ist? – Die heute angelobte Sozialministerin Haubner ist an die Öffentlichkeit gegangen und hat eine Politik für Männer gefordert! Ich war fassungslos, offen gesagt.

Ich frage mich auch, was die Österreicherinnen und Österreicher von einer Steuer­reform dahin gehend haben, dass Konzerne, die im Ausland Verluste schreiben, diese hier sozusagen aufbringen müssen. (Abg. Bucher: Arbeitsplätze haben sie!) Was haben die Österreicherinnen und Österreicher von einem Steuerloch, das die 100-Mil­lionen-€-Grenze weit überschreiten wird, was haben sie von Verlusten multinationaler Konzerne im Ausland? – Nichts haben sie davon! Trotzdem wird behauptet, alle profi­tieren von der Steuerreform. Über zwei Millionen Österreicherinnen und Österreicher profitieren überhaupt nicht davon! Ich sage Ihnen: Von dieser Art der Politik haben wir nichts, hat Österreich nichts! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

 


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