Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 97. Sitzung / Seite 22

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9.52.04

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, wir sollten uns be­mühen, bei einer Beurteilung dieser zehn Jahre Österreichs in der EU fair und ausbalanciert zu sein.

Es stimmt, dass es große Probleme in der EU gibt, und es stimmt, wenn es nicht gelingt, mehr Beschäftigung in Europa zu schaffen, dass all die richtigen und schönen Worte von der großen Idee und von dem Friedensprojekt abprallen werden, wenn die Menschen keine Arbeit haben. Aber es stimmt auch genauso, dass es für unser Land richtig und wichtig war, der EU beizutreten, und dass eine Rolle Österreichs außerhalb der EU heute weder wirtschaftlich noch politisch vorstellbar ist.

Es stimmt, meine Damen und Herren, dass sich Österreich gut eingefügt hat, es stimmt, dass man auf uns hört, es stimmt, dass unser Kommissar Fischler in diesem Jahrzehnt eine wirkliche Rolle gespielt hat, es ist so, dass die österreichischen Abgeordneten im Europäischen Parlament eine wichtige Rolle spielen – wenn ich von manchen Äußerungen, die nicht gerade hilfreich sind, absehe –, und es stimmt, dass nach anfänglichen Schwierigkeiten, wie auch auf Beamten- und anderen Ebenen, die Mechanismen der EU nützen.

Aber es stimmt auch, dass man nicht alles nur durch die rosarote Jubiläumsbrille betrachten sollte und dass es auch Fehleinschätzungen und Fehler gegeben hat. Ja, die richtige Überlegung, dass die kleinen Länder in der EU nur gemeinsam stark sein können und den großen Paroli bieten können, hat nur zögerlich und schwankend und zu lautstark in manchen Erklärungen österreichseits begonnen. Auch die diesbezüglich groß angekündigte Partnerschaft Österreichs mit den neuen zentral- und osteuro­päischen Beitrittsländern war anfangs mangelhaft ausgelotet und durch bilaterale Fragen zu stark belastet; aber wir sollten auch sehen, dass mittlerweile da gute Kon­takte bestehen und glücklicherweise nun Österreich immer stärker auch einen Platz als der Experte für Balkan- und osteuropäische Fragen in der EU einnimmt. (Beifall bei der ÖVP.)

Beides ist richtig: die Fehler, die gemacht wurden, und die Fortschritte, die zu sehen sind.

Wir haben auch in anderen Fragen Fehleinschätzungen gehabt. Ich glaube, eine der großen Fehleinschätzungen war es – ich möchte das jetzt nur sehr kurz anreißen –, dass man in der Frage der Sicherheitspolitik glaubte oder dass die Regierung glaubte, dadurch behindert zu sein, dass wir neutral sind und nicht der NATO angehören können, und dass diese vermeintliche Behinderung dazu führte, dass wir uns selbst dabei behindert haben, aktiver in außenpolitischen Fragen eine Rolle zu spielen. Das hat glücklicherweise nun einer neuen Einschätzung Platz gemacht, und ich glaube, wir können jetzt auch eine Rolle als Neutraler in der EU und in der europäischen Politik spielen. Nur sollen wir diese Rolle dann auch beibehalten, Frau Bundesminister! Dass wir gleich in der Frage der Battle Groups wieder rückfällig werden und einem vermeint­lichen Druck sofort nachgeben, wäre falsch. Ich glaube, wir sollten auch da bei der Linie bleiben, und diese Linie heißt: Einsatz Österreichs außerhalb der EU nur auf Basis eines UNO-Mandates und eines Beschlusses der UNO selbst. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Auch im Parlament hat es lange gedauert – das müssen wir auch fairerweise sagen –, und ich bin froh, dass es jetzt dazu kommt, dass wir uns stärker mit europäischen Fragen beschäftigen werden. Das ist auch eine Herausforderung an uns alle, und ich nehme meine eigene Fraktion nicht aus, das betrifft alle. Wir sind geneigt, die Hälfte der Aufgaben, die uns national noch geblieben sind, hier im Parlament mit derselben


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