Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 97. Sitzung / Seite 25

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damit auseinander setzen! – Das ist kein Vorwurf an die Bürgerinnen und Bürger, sondern da hat die Politik noch einiges vor sich, was Transparenz betrifft, was Mit­entscheidung betrifft, was die Möglichkeiten betrifft, dass die Bürgerinnen und Bürger dieses Europa überhaupt als ihr gemeinsames Europa wahrnehmen können.

Schauen Sie sich doch an, wie auch Sie hier in diesem Saal diskutieren! Herr Kollege Molterer, ich habe bei Ihrer Rede gerne und sehr aufmerksam zugehört. Auf der einen Seite sagen Sie, der Wettbewerb, na gut, der ist schärfer geworden. (Abg. Mag. Mol­terer: Das ist so!) Ja, aber bitte, auf der anderen Seite beschwören Sie und be­schwören wir das gemeinsame Europa. Meine Kollegin Lunacek hat nicht zu Unrecht, sondern ganz richtig darauf hingewiesen, dass Sie als Regierung beispielsweise mit Herrn Minister Bartenstein, aber auch Europa mit dem ehemaligen Kommissar Bolke­stein eine Dienstleistungsrichtlinie planen, die für Österreich vorsehen würde, dass hier in Österreich Dienstleistungen zu 25 verschiedenen nationalstaatlichen Standards, zu 25 verschiedenen Lohnniveaus, zu 25 verschiedenen arbeitsrechtlichen Vorschriften (Ruf bei der ÖVP: Das stimmt überhaupt nicht!), zu 25 verschiedenen Arbeitnehmer­schutzvorschriften angeboten werden können. Wissen Sie, was das mit einem Zusammenwachsen zu tun haben soll? – Gar nichts hat das mit einem Zusam­menwachsen zu tun! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.) Das wäre ganz furchtbar, nicht nur für Österreich, sondern für Europa. (Abg. Mag. Mol­terer: Aber es stimmt nur nicht, was Sie sagen!)

Zweiter Punkt: Herr Fasslabend! Sie haben zu Recht gesagt, Österreich ist in den letzten Jahren „als Land weltoffener geworden“. – Mir hat diese Formulierung recht gut gefallen. Stimmt: Als Land sind wir tatsächlich weltoffener geworden. Was ich ver­misse, ist, dass die Regierung auch ein bisschen weltoffener in diesen letzten zehn Jahren geworden wäre. Wo sind wir denn weltoffen als Regierung, wenn es um den Umgang mit unseren eigenen Minderheiten geht? (Beifall bei den Grünen.) Ortstafeln – ich erinnere Sie! – Wo sind Sie denn weltoffen als Regierung, wenn es darum geht, mit sexuellen Minderheiten anders umzugehen? – Als Regierung nicht offen, als Bevöl­kerung sehr wohl. Die Menschen in diesem Land denken nämlich ganz anders über diese Fragen. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Mag. Wurm.)

Stimmt: Auch für die Jugend – und ich bestreite das, was Europa gebracht hat, überhaupt nicht – ist es ein unglaublicher Vorteil, sich in diesem Europa frei bewegen zu können, auch irgendwo im Rahmen von ERASMUS oder anderen Programmen das Europa in den anderen Ländern mitschnüffeln zu können, wahrnehmen zu können. Richtig! Aber wir müssen – und das betrifft nicht nur diese Regierung, sondern natür­lich auch die europäische Regierung – dieser Jugend auch Zukunftschancen geben. Wenn Sie die aktuellen Arbeitsmarktdaten, nicht nur für die akademische Jugend, son­dern auch für die Nichtqualifizierten, lesen, dann wissen Sie, dass wir hier einiges zu erbringen haben, was in den letzten Jahren nicht erbracht wurde.

Die Österreicherinnen und Österreicher sind, sagt Herr Kollege Molterer, reicher geworden. (Die Abgeordneten Mag. Lunacek und Dr. Gabriela Moser: Welche?) – Stimmt nur zum Teil! Wenn wir den Sozialbericht, nicht nur den österreichischen, sondern auch den deutschen Sozial- oder Armutsbericht hernehmen, dann wissen wir, dass im Europa von heute auch die Klüfte zwischen Arm und Reich größer geworden sind, als sie es in den letzten zehn Jahren oder vor zehn Jahren waren. Der Reichtum, der Wohlstand, den Sie da beschworen haben, Herr Kollege Molterer, der ist nicht so verteilt, wie er hätte verteilt werden sollen.

Wenn Sie, Herr Kollege Molterer – und ich habe aufmerksam zugehört –, gesagt haben, wir bräuchten mehr Europa, dann stimme ich Ihnen zu, aber nicht in den Punk­ten, die Sie angeführt haben, nämlich in der Sicherheits-, Verteidigungs- und Wirt­schaftspolitik, sondern in der Umweltpolitik und in der Sozialpolitik. (Abg. Mag. Mol-


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