Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 99. Sitzung / Seite 93

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waren dagegen, Stunden in der Form zu kürzen, wie das der Fall war. Der Religions­unterricht war jedoch sakrosankt, über den durfte man nicht reden.

Welche Situation bekommen wir, wenn man das weiter fortschreibt? Die Bildungs­ministerin kann per Verordnung von einem Tag auf den anderen die Schulstunden kürzen, wie sie will. Sie hat das gemacht und ist dabei theoretisch nicht begrenzt. Gleichzeitig bräuchte man für jede Veränderung des Religionsunterrichts eine Zwei­drittelmehrheit. Ist das der Sinn der Sache? Wollen wir die Schulgesetze so posi­tionieren? Ich meine, dass das nicht Sinn der Sache ist, weil man schon im Gesamt­zusammenhang darüber reden muss, was wie stattfindet und auch über die aktuellen Probleme mit dem Religionsunterricht.

Wir sind übrigens aus einem relativ pragmatischen Grund für konfessionellen Re­ligions­unterricht. Wir meinen, dass das österreichische System ganz gut funktioniert hat. Wenn man den Religionsunterricht aus der Schule komplett herausnimmt, fördert man fundamentalistische Tendenzen – denn wo gehen denn die Kinder dann in den Religionsunterricht? Darüber brauchen wir jetzt also kein ideologisches Streitgespräch zu führen, denn das ist nicht der Punkt. Es geht ausschließlich um die Festschreibung, die da passieren soll, und um die Probleme in der Praxis. Gehen Sie einmal aufs Land und schauen Sie einmal, wie Sie Ihr Kind dort in der Volksschule – Trennung von Kirche und Staat – vom Religionsunterricht abmelden können. Was passiert denn mit dem Kind? Wo ist denn die Betreuung? Die gibt es dort in der Volksschule nicht. Welcher gesellschaftliche Druck entsteht da immer noch? Darüber sollte man doch wohl auch reden, wenn man von Religionsfreiheit spricht. Das wird ja wohl auch inkludieren, dass auf der anderen Seite das Recht gemeint ist, zu sagen: Unsere Familiensituation ist so, dass wir den konfessionellen Religionsunterricht in der Schule nicht wollen.

Was wir überhaupt nicht führen, ist eine Diskussion über die Frage: Soll es den Religionsunterricht in der Schule möglicherweise in einer anderen Form geben? Ich halte es für sehr wichtig, in der Schule auch über Weltreligionen zu hören. In welcher Form? Konfessionell? Dass der Pfarrer in die Schule kommt, der katholische Pfarrer in der Regel, und den Kindern dann erklärt, wie die verschiedenen Weltreligionen auf­gebaut sind? (Abg. Murauer: Das muss kein Pfarrer sein! – Abg. Dr. Brinek: Das gehört zur politischen Bildung!) Das ist die derzeitige Situation. Da kann es wohl auch noch mehr geben.

Noch einmal: Das Angebot konfessionellen Religionsunterrichts in der Schule ist für uns nicht die Streitfrage, aber jetzt so zu tun, als wäre es die einzige Lösung, das in der Verfassung festzuschreiben, das halte ich angesichts der aktuellen Situation nicht für vordringlich. (Präsident Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

Ich zitiere noch einmal meinen Klubobmann, der gestern gemeint hat, die PISA-Studie habe wohl ergeben, dass wir Leseschwächen hätten und nicht vorwiegend Schwächen beim Religionsunterricht. Ich finde, darauf sollten wir uns auch in der Debatte verständigen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich komme auf den Antrag der Regierungsfraktionen zurück. Wir haben dem Antrag im Ausschuss auch deshalb nicht zugestimmt, weil viele Dinge zwar nicht besonders spektakulär sind, man könnte dem zum Teil auch zustimmen, aber vieles in Ihrem Antrag nicht drinsteht. Wenn man die Ergebnisse von PISA bewertet, ich dann aber mit keinem einzigen Wort erwähnt finde, dass am Ende der Schulpflicht 20 Prozent bis zu einem Viertel der Schüler extreme Leseschwächen haben, somit extreme Schwie­rigkeiten, eine Zukunftskarriere, eine weitere Bildungschance zu haben, dann meine ich, dass in Ihrem Antrag einfach etwas fehlt.

 


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