Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 102. Sitzung / Seite 92

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Leidenschaft getraue ich mich schon gar nicht mehr zu reden; Leidenschaft und Rauch-Kallat, das ist irgendwie ein Widerspruch in sich in der Frauenpolitik –, dass Sie wenigstens einen Funken an Interesse, wenn schon nicht Begeisterung, an den Tag legen, wenn es um Frauenpolitik geht, und sich nicht darauf zurückziehen: Ach, was der Kanzler gemacht hat, ist ohnedies das Tollste für die Frauen überhaupt! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Endlich, dass Sie das zugeben!) – Das ist ein bisschen die Rolle der Werbeträgerin für den Mann, der Sie in Ihre Funktion gerufen hat, mehr nicht. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Mag. Wurm.)

Ich möchte Ihnen vielleicht ein Zitat von Luise Pusch mit auf den Weg geben – im Übrigen eine Frau, die erkannt hat, wie wichtig der Gebrauch der weiblichen Formen in der Sprache sehr wohl ist –, die einmal gesagt hat: „Gute Frauenpolitik erkennt frau am Geschrei der Männer“, nämlich erst dann, wenn es wirklich ans Eingemachte geht.

Frau Ministerin, vielleicht halten Sie – zumindest jedenfalls Ihre männlichen Kollegen – es für eine Tugend, aber Sie lösen derzeit frauenpolitisch lähmendes Schweigen im Lande aus. Ist das die Bilanz, die Sie anstreben? – Das würde ich mir überlegen.

Jedenfalls ist es sehr spannend, im Vergleich dazu zu sehen, wie das Selbstver­ständnis der Ministerin Haubner ausschaut, die ja eigentlich für geschlechtsspezifische Politik gar nicht so direkt zuständig wäre, die aber höchst rege ist, nämlich im Interesse der Männer! Männerpolitik nimmt einen Aufschwung in dieser Regierung, so etwa mit allen möglichen Studien, die herausgegeben werden: Der Männergesundheitsbericht ist schon lange da, der Frauengesundheitsbericht noch immer nicht, und so weiter. (Bun­desministerin Rauch-Kallat: Morgen! Morgen! – Schlecht informiert!) Ich erspare mir jetzt die Aufzählungen, aber Frau Ministerin Haubner macht sehr aktive ge­schlechtsspezifische Politik für Männer. Sollte Ihnen das nicht zu denken geben? Soll­ten Sie nicht zumindest mithalten können mit der Männerpolitik Ihrer Kollegin, wenn schon keine deutlich wahrnehmbare Frauenpolitik passiert? – Vielleicht denken Sie einmal über das Selbstverständnis in Ihrem zeitlosen Raum ein wenig nach.

Schließlich noch zur Regierung und den Frauen ganz allgemein: Wir haben jetzt in der Regierung – zumindest solange diese noch existiert, das weiß man alles nicht ganz genau – mehrere Ministerinnen. Und was haben wir davon? – Die Innenministerin hat gerade eine große Reform im Hause: neue Postenbesetzungen. Wir haben neun Landespolizeikommandanten in Österreich, und wir haben eine Stellvertreterin. (Abg. Mag. Wurm: „Super“!) – Das nennen Sie einen Fortschritt?

Dann kommt noch irgendjemand her und diskreditiert die einzige Frau, die dabei in die Spitzenposition gekommen ist, mit dem Titel „Quotenfrau“. Die Absicht war das Diskreditieren. Ich würde das schärfstens von mir weisen, weil ich denke, die Quali­fikation von Frauen, wenn sie überhaupt so weit kommen, ist im Regelfall mehr als gegeben, und man sollte ihnen nicht die Quote noch dazuhängen. Abgesehen davon, dass ich sage: Warum keine Quote? – Wir haben ja, wie gesagt, die Landwirtschafts­quote bei der ÖVP, die Wirtschaftsbundquote bei der ÖVP (Abg. Mag. Scheucher-Pichler: Was? Landwirtschaftsquote ...!), die Gewerkschaftsquote bei der SPÖ. Also warum nicht die Frauenquote? – Also Mut zur Quote, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Was haben wir denn sonst noch, zum Beispiel in der Bildungspolitik? – Wir haben eine Bildungsministerin. Haben bei der aktuellen PISA-Studie die Mädchen deswegen besser abgeschnitten als in der letzten PISA-Studie? – Ganz und gar nicht. Tut die Ministerin daher gezielt etwas für die Mädchen oder für Frauen im Bildungssystem? – Ganz und gar nicht. Die Ministerin – die als solche schon nicht besonders progressiv ist – kann man daher als Frauenpolitikerin dezidiert nicht bezeichnen.

 


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