Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 104. Sitzung / Seite 130

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Das ist für die Menschen in Österreich leider ein Punkt, wo nicht nur diese Partei oder die gesamte Bundesregierung – vor allem auch die ÖVP –, sondern das gesamte politische System Schaden erleidet. Sich über Monate anschauen zu müssen, wie eine kleine Gruppe, die dermaßen daran interessiert ist, ihren jetzigen Status aufrechtzu­erhalten, bereit ist, alles dafür zu tun, dass sie sogar an die Grenzen des politischen Systems geht – darüber möchte ich noch kurz sprechen –, ist für die Menschen in Österreich nicht mehr verständlich. (Abg. Kößl: Reden Sie einmal zum Thema?)

Deshalb ist der Ruf nach Neuwahlen – auch in der Bevölkerung – mehr als politisch legitim: Sie sind dringend notwendig! Österreich muss neu wählen! Es braucht eine Neuordnung der politischen Verhältnisse! (Neuerlicher Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Grillitsch: Die Begeisterung hat sich in Grenzen gehalten!)

Ich rede jetzt gerne wieder ganz kurz zum Thema, da das ständig eingefordert wird. Nur eine kurze Bemerkung zum Herrn Kollegen Miedl: Kollege Miedl hat in seiner Logik behauptet, dass zwischen Tempo 90 und 120 km/h viel mehr Verkehrsunfälle pas­sieren als mit Tempo 160. (Abg. Brosz: Der war gut!) – Diese Logik ist enden wollend! Mit der Logik müsste man sagen: Mit 240 km/h passieren noch viel weniger Unfälle und mit 500 km/h passiert überhaupt kein Unfall mehr, also ist das die sicherste Reisegeschwindigkeit. (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Kogler: Bravo!)

Nach dieser Logik ist der gefährlichste Ort Österreichs überhaupt das Bett (Heiterkeit des Abg. Eder), denn dort sterben am allermeisten Menschen! (Abg. Neudeck: Aber nicht mit 160!) – So, und jetzt darf ich wieder mit dem Thema fortfahren, das die öster­reichische Öffentlichkeit eigentlich bewegt, nämlich mit der Dämmerung und dem Ende der schwarz-blauen Koalition.

Ich möchte noch zu einem demokratiepolitischen Punkt kommen, weil ich nicht weiß, ob Ihnen das klar ist: Natürlich, formaljuristisch, verfassungsrechtlich bewegen Sie sich im Rahmen des österreichischen Systems, im Rahmen der österreichischen Ver­fassung. (Abg. Neudeck: Sie sind eine geschäftsordnungsmäßige Geisterfahrerin! Das wissen Sie!) Trotzdem muss man sich noch einmal vor Augen führen, welches Ver­hältnis zwischen den staatlichen Institutionen und der Gesellschaft besteht und was Sie gerade tun.

In der Gesellschaft entwickeln sich politische Kräfte, die sich zu Parteien formieren, eine bestimmte Bedeutung erlangen, gewählt werden und sich in das politische System und in die staatlichen Institutionen eingliedern. (Abg. Neudeck: Meinen Sie jetzt die Section Control, oder worüber sprechen Sie?) Was Sie jetzt machen, ist de facto ein Putsch von oben: Sie machen sich völlig frei von jeglicher Kontrolle – auch Ihrer eige­nen Basis, auch Ihrer eigenen Verankerung im politischen System und in der Gesell­schaft. (Abg. Neudeck: Sie reden am Thema vorbei!) Sie erklären sich als reprodu­zierendes System einer Gruppe von Menschen, von Mandataren und Ministern, die sich, um weiter im Amt zu bleiben, jeglicher Verantwortung selbst entheben. – Das ist an der Grenze der demokratischen Spielregeln.

Ich glaube nicht, dass in der österreichischen Verfassung daran gedacht war, dass sich jemals eine Gruppe von Menschen – Freunde und Verwandte von Jörg Haider, wie es so schön im „Morgenjournal“ genannt worden ist – einfach der Institutionen bemächtigt und alles abkappt: jegliche Kontrolle, jegliche Verantwortung. Eine Gruppe, die sagt: Wir bleiben im Amt, egal was kommt! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Selbstverständlich haben Parteien und Parteigebilde auch eine Kontrollfunktion, und selbst so etwas wie ein finanzieller Entlastungsbeschluss in einer Partei hat eine


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