Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 106. Sitzung / Seite 10

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Legt man diese Rechtsauffassung zugrunde, hat weder das BZÖ noch die FPÖ (alt) Anspruch auf Parteienfinanzierung: Beim BZÖ stellt sich die Rechtslage völlig gleich wie beim Liberalen Forum dar. Es ist auf Grund einer Abspaltung aus einer anderen Partei hervorgegangen und hat nicht bei der Nationalratswahl kandidiert. Aber auch die FPÖ alt erfüllt nicht mehr die Voraussetzung, dass sie mit zumindest fünf Abgeord­neten im Parlament vertreten ist, sodass sie aus diesem Grund keinen Anspruch auf Parteienfinanzierung mehr hat. Es geht hier also um die Vergabe bzw. nach Ansicht der SPÖ Nicht-Vergabe einer beträchtlichen Summe an Steuergeld, über die das Bundeskanzleramt, also letztlich Wolfgang Schüssel, zu entscheiden hat.

Offen in diesem Zusammenhang ist auch, was mit den Schulden der „alten“ FPÖ geschieht. Die BZÖ-Proponenten scheinen der Ansicht zu sein, sich durch schlichtes Austreten und Weglaufen aus der FPÖ jeder Verantwortung und Haftung entziehen zu können. Eine Vorgangsweise, die umso unverständlicher und unverantwortlicher ist, als die nunmehrige BZÖ-Führung personenident mit jener FPÖ-Führung ist, die diese Schulden verursacht hat. Abseits aller moralischen Einwände, die gegen eine derartige Vorgangsweise zu erheben sind, stellt sich aber auch die Rechtsfrage, welche nun­mehrigen BZÖ-Mitglieder in der Bundesregierung in welcher Höhe für welche Verbind­lichkeiten der FPÖ haften bzw. ob das jener korrekte Umgang mit Finanzen und Ver­pflichtungen ist, den zumindest die Österreicherinnen und Österreicher, wenn schon nicht der Bundeskanzler, von Regierungsmitgliedern zu Recht erwarten.

Verschärft wird diese Situation dadurch, dass die FPÖ schon in der Vergangenheit sich durch einen vorsichtig gesagt eher nachlässigen Umgang mit Finanzen „auszeichnete“. Gerüchten zufolge ist die Parteienfinanzierung der FPÖ-Kärnten auf mehrere Jahre hinaus verpfändet. Der Umgang mit Parteifinanzen der FPÖ-NÖ wurde sogar gerichts­anhängig. Es stellt sich die Frage, ob der für die Vollziehung des Parteienfinanzie­rungsgesetzes und anderer relevanter Gesetze zuständige Bundeskanzler Schüssel, bevor er die BZÖ in der Regierung akzeptierte, prüfen ließ, ob durch den Austritt der nunmehrigen BZÖ-Regierungsmitglieder nicht eine vorsätzliche Verkürzung von Gläu­bigerinteressen eingetreten ist. Weiters stellt sich die Frage, ob Wolfgang Schüssel überhaupt in der Lage und Willens ist, diese sensiblen Gesetze – es geht um den Um­gang mit Steuergeld in der Höhe von Millionen Euro – objektiv und gesetzeskonform zu vollziehen.

Zu einem weiteren Unsicherheitsfaktor für diese Regierung wird in Zukunft auch der Bundesrat werden. Zum einen politisch, weil ÖVP und BZÖ im Bundesrat über keine Mehrheit mehr verfügen, nachdem drei der bisherigen fünf FPÖ-Bundesräte nach eigenen Angaben bei der FPÖ verbleiben werden. Zum anderen aber auch rechtlich. Für die Bildung einer Bundesratsfraktion braucht es mindestens fünf Bundesräte, die auf Grund von Vorschlägen derselben Partei durch die Landtage gewählt wurden. Inhaltlich besteht der Sinn einer Fraktion darin, geschlossen politisch aufzutreten, was bei den BZÖ- und FPÖ-Bundesräten nicht zu erwarten ist. Sollte – korrekterweise – die FPÖ-Bundesratsfraktion daher aufgelöst werden, sind in Folge weder FPÖ noch BZÖ in den Bundesratsausschüssen vertreten, wodurch SPÖ und Grüne dort eine Mehrheit hätten. Sollte die bestehende Fraktion trotzdem aufrechterhalten werden, würde die Willensbildung im Bundesrat verzerrt und würden alle Beschlüsse den Bundesrates in Zukunft verfassungswidrig zustande kommen. Die SPÖ würde Gesetze, die unter Auf­rechterhaltung der FPÖ-Fraktion im Bundesrat beschlossen werden, jedenfalls als verfassungswidrig anfechten.

All das zeigt, dass der fliegende Wechsel zum BZÖ und die Fortsetzung der Regierung durch Wolfgang Schüssel nichts anderes ist als ein – wenn auch für ihn nicht untypi­sches – „Vabanque-Spiel“ mit mehr als ungewissem Ausgang. In rechtlicher, politischer und demokratiepolitischer Hinsicht. Die Regierungsarbeit wird weiterhin von Stillstand


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