Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 109. Sitzung / Seite 38

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Was mich immer wieder betroffen macht – heute sind relativ wenig Durchschnitts­zahlen gekommen, üblicherweise wird hier im Haus sehr oft mit Durchschnittszahlen argumentiert –: Sie sind in irgendwelchen Zahlen zu Hause, aber Sie sehen schon lange nicht mehr die Probleme und die Schwierigkeiten der Menschen in Österreich. Frau Ministerin Haubner hat gesagt, die Armutsgefährdung sei gesunken. Ich weiß nicht, Frau Ministerin, woran Sie das im Sozialbericht erkannt haben. Tatsächlich ist es so, dass heute zum Beispiel ein Drittel der AlleinerzieherInnen armutsgefährdet ist; es sind 31 Prozent ganz genau. Im Sozialbericht 2001/2002 waren es noch 16,7 Prozent.

Frau Ministerin, die Armutsgefährdung in Österreich ist drastisch gestiegen – bitte, nehmen Sie das zur Kenntnis! Ich weiß nicht, wie Sie politisch arbeiten können, wenn Sie die Augen verschließen vor diesen Problemen, die wir haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Sie sind immer ganz stolz darauf und haben heute auch erwähnt, dass das Pflegegeld angehoben wurde. – Um 2 Prozent, Frau Ministerin, um läppische 2 Prozent nach acht Jahren! (Abg. Dr. Partik-Pablé: Acht Jahre lang überhaupt nichts! Reden Sie doch darüber!) Wissen Sie, was das bedeutet, wenn man Pflegeleistung einkaufen möchte? Die Kosten für die Pflege sind in einem ganz anderen Ausmaß gestiegen. Jene, die Pflege brauchen, bekommen für ihr Pflegegeld nicht mehr das Gleiche wie vor acht Jahren. Das heißt, es handelt sich hier um keine Verbesserung, sondern um einen Rückschritt – leider! –, den Sie durch ein Nicht-Anpassen des Pflegegeldes erreichen. (Beifall bei den Grünen.)

Bereich Forschung und Bildung, eine wesentliche Voraussetzung für diesen Sozial­staat Österreich. – Was passiert da? Bildungsausgaben sinken. Im Forschungsbereich hat sich einiges getan, aber wir sind säumig. Am Montag Abend hat Ihr ehemaliger Kommissar Fischler in Vorarlberg gesprochen und dabei eindeutig klargemacht: Die Forschungsausgaben in Österreich müssten doppelt so hoch sein, damit wir an­nähernd wettbewerbsfähig werden. – Das sagt Ihr eigener Ex-Kommissar Fischler. Bitte, hören Sie auch auf solche Stimmen!

Die Arbeitslosenzahlen nehmen zu. Zum Teil gibt es Entwicklungen, die nicht in unserer Hand liegen, aber sie lägen auch in unserer Hand, wenn nämlich im Fort­bildungsbereich mehr investiert werden würde, wenn Arbeit steuerlich entlastet werden würde, wie etwa durch unser Modell einer ökologisch-sozialen Steuerreform, oder auch wenn Arbeit umverteilt werden würde. Ich weiß nicht, ob Ihnen bewusst ist, dass 6,3 Prozent der männlichen unselbständig Erwerbstätigen in Österreich eine regel­mäßige Arbeitszeit von über 60 Wochenstunden haben. Das sind 117 000 Personen, und das sind, wenn man die Zahl durch zwei dividiert, beinahe 60 000 Voller­werbsarbeitsplätze. Es wäre möglich, Arbeit anders zu verteilen, aber Sie tun es nicht. Es werden keine Maßnahmen in diese Richtung gesetzt. (Beifall bei den Grünen.)

Letzter Punkt, der für mich ganz wesentlich zu sein scheint; es war auch schon die Rede davon: Steuerreform als Schlüssel. – Ich gebe Ihnen vollkommen Recht. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zahlen immense Anteile durch Lohnsteuer, wir alle zahlen durch Mehrwertsteuer. Aber was die Vermögenssteuer betrifft, ist Öster­reich bei den Schlusslichtern – nur 2,7 Prozent Einnahmen –, und die Gewinnsteuern sind in den letzten 30 Jahren von 17,4 Prozent auf 13,4 Prozent der Staatseinnahmen gesunken. Die Lohnsteuern haben sich im gleichen Zeitraum von 18 auf 30 Prozent nahezu verdoppelt. Das Geld ist da, holen Sie es ab! Unser Sozialstaat ist finan­zierbar. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

10.12


Präsident Dr. Andreas Khol: Zum Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

 


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