Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 109. Sitzung / Seite 60

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11.29.55

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Es wurde von mehreren Vorrednerinnen und Vorrednern bereits darauf hingewiesen, dass es ja auch eine sehr kritische Stimmung in der Bevölkerung gegenüber der Europäischen Union gibt. Man muss natürlich wissen, dass ein Großteil der Politik der Europäischen Union von der Summe der Regierungen gestaltet wird und dass natürlich Kritik an der Politik der Europäischen Union auch eine Kritik an der Politik der jeweiligen nationalen Regierung – in diesem Fall der österreichischen Bundesregierung – dahin gehend ist, was diese in der Euro­päischen Union verwirklichen kann.

Wenn etwa kritisiert wird, dass man mehr im Bereich der Beschäftigung machen könnte, dann ist das auch eine Kritik an der nationalen Regierung, in diesem Fall an der österreichischen Bundesregierung, ebenso wie an der Europäischen Union.

Oder: Wenn kritisiert wird, dass man mehr für Wachstum hätte machen können, dann ist das natürlich auch eine Kritik an der Bundesregierung.

Auch der übertriebene, schnelle Erweiterungsprozess, hinter dem ein neoliberales Kon­zept steht, ist natürlich ein Kritikpunkt.

Warum nicht Ausstieg aus der Atomenergie? – Auch diese Frage ist ein Kritikpunkt.

Ich glaube, dass viele dieser Kritikpunkte berechtigt sind und dass man diese Kritik nur unterstreichen kann, auch heute, auch hier. (Beifall bei der SPÖ.)

Was ist eigentlich diese EU-Verfassung oder dieser Verfassungsvertrag, wie es ge­nauer heißt? Aufgabe dieses Vertrages ist es, hier mehr Regeln zu schaffen, mehr Bürgernähe, mehr Demokratie, es soll ein europaweites Volksbegehren möglich sein, und mit der Zielbestimmung der sozialen Rechte soll letztendlich der Weg zu einer Sozialunion beschritten werden. Diese Europäische Union soll vertieft werden, um verstärkt zu einer Bürgerunion zu werden, und es sollen nicht – oft auch von Regierungsvertretern – Entscheidungen über die Köpfe der Bürger in der Europäischen Union hinweg gefasst werden können.

Ich komme nun zur Frage der Volksabstimmung oder der europaweiten Abstimmung.

Ich glaube, Caspar Einem als Vertreter der Sozialdemokraten im Konvent hat schon im Herbst 2002 gefordert, es muss diese Einrichtung der europaweiten Volksabstimmung geben. Wir haben das schon früher gefordert, als es darum ging, einen Ausstieg aus der Atomenergie europaweit zur Abstimmung zu bringen, anhand der Diskussion über die grenznahen Atomkraftwerke.

Wir haben aber auch im Hauptausschuss einen Antrag gestellt, dass sich die Bun­desregierung im Rahmen einer Regierungskonferenz 2003 für die Verankerung des Instruments einer EU-weiten Volksabstimmung einsetzen möge. Das hat damals nicht die Zustimmung der FPÖ und der ÖVP gefunden, was mir heute noch schleierhaft ist. Man beschwört in Sonntagsreden die Wichtigkeit einer europäischen Volksabstim­mung, aber als wir vor zwei Jahren einen entsprechenden Antrag stellten, stimmten die Regierungsparteien nicht zu. Also, ich verstehe diese Vorgangsweise nicht! (Abg. Scheibner: Wir haben einen eigenen Antrag eingebracht!)

Zum nächsten Punkt, einem Punkt, der ganz, ganz entscheidend ist. Der 2. März 2005 war der Moment, wo in diesem Parlament die Voraussetzungen dafür geschaffen wur­den, dass wir heute den Beschluss über diesen EU-Verfassungsvertrag auch wirklich fassen können. Das war der Moment, in dem die Anträge für die nationale Volks­abstimmung hätten kommen müssen! Das war der Moment, in dem Jörg Haider und all diejenigen, die das jetzt einmahnen, eine nationale Volksabstimmung zur Diskussion hätten stellen sollen! – Aber das geschah nicht.

 


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