Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 109. Sitzung / Seite 70

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Meine sehr geehrten Damen und Herren! All das vermissen wir jetzt. – Ja, Herr Bun­deskanzler, es hat Veranstaltungen gegeben, aber ein, zwei Großveranstaltungen vor Beginn des Konvents, eine Veranstaltung im Redoutensaal während des Konvents, ein paar weitere Veranstaltungen danach, das macht das Kraut nicht fett, Herr Molterer! Der Punkt ist der: Der Aufwand, den Sie treiben, um für sich selber zu werben – bei­spielsweise wenn Sie eine Steuerreform machen, über die man durchaus diskutieren kann –, haben Sie für die Verfassung nicht getrieben. Und dafür bekommen wir jetzt die Rechnung: kritische Stimmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es ist aber nicht nur meine Auffassung, dass dem so ist. Lassen Sie mich Ihnen zumin­dest zwei Zitate vortragen. Sie finden heute in der „Presse“ – nicht gerade das sozial­demokratische Zentralorgan – einen Kommentar von Wolfgang Böhm, in dem es heißt:

„Schon im Entstehungsprozess ist vieles schief gelaufen. Es durfte zwar ein breit angelegter öffentlicher Konvent aus Vertretern der EU-Regierungen, der Parlamente und EU-Institutionen die Verfassung ausarbeiten. Doch das letzte Wort behielten sich die EU-Regierungschefs vor, die hinter verschlossenen Türen – und ohne jede Öffent­lichkeit – wieder einmal ihre Machtinteressen abtauschten.“ (Abg. Mag. Molterer: Wir haben das letzte Wort!)

Herr Bundeskanzler, das ist das Problem! (Bundeskanzler Dr. Schüssel: Hier ist das letzte Wort!) Hier ist das letzte Wort zum ja oder nein sagen, Herr Bundeskanzler und Herr Klubobmann! Aber das ist ja nicht das, worum es geht, sondern die Frage ist, ob eine substantielle, inhaltsvolle Debatte stattfinden kann, und die kann nur dort statt­finden – und dort hat sie hinter verschlossenen Türen stattgefunden. Die Regierungen hätten breit informieren müssen, sagt auch Wolfgang Böhm in der „Presse“. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Dieser ist Ihnen vielleicht nicht so sympathisch, aber auch Ihr Abgeordneter Rack, der sehr intensiv, sehr konstruktiv und sehr gut am Konvent mitgearbeitet hat, sagt in derselben Zeitung heute sehr deutlich, dass es in Österreich keine inhaltliche Dis­kussion über die Europäische Verfassung gegeben habe, und ortet diesbezügliche Versäumnisse im Bundeskanzleramt und im Außenministerium. (Abg. Dr. Brinek: Immer vor der eigenen Tür kehren!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, wir alle – und auch Sie sollten die Fähigkeit zu einer angemessenen Selbstkritik aufrecht erhalten: Wir sind hier nicht gut genug gewesen! Und diejenigen, die die Hauptverantwortung tragen, sind jeweils die, die regieren, also momentan Sie, Herr Bundeskanzler, und Ihre Regierung. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Donabauer.)

Lassen Sie mich dann noch ein Weiteres sagen! Es hat um 10.53 Uhr der Klubobmann der Freiheitlichen hier erklärt: Wir sind dafür, dass alle Vor- und Nachteile dieser Verfassung öffentlich diskutiert werden! – Glückwunsch, Herr Scheibner! Das finde ich wunderbar, dass Sie heute, zwei, drei Stunden, bevor das beschlossen wird, so eine Erklärung abgeben. (Abg. Scheibner: Wo waren denn Sie die drei Jahre?) Die Frage ist die: Wo hat es sie denn gegeben, diese öffentliche Debatte? Gestern ist als Post­wurfsendung eine Broschüre der Bundesregierung gekommen. Welche Chance für die Bevölkerung hat es denn da gegeben, wenn Sie schon so stolz darauf sind?

Ja, es muss öffentlich diskutiert werden, aber es wäre reichlich an der Zeit gewesen, das früher zu tun – und mit jenem Aufwand zu tun, den die Regierung für sich selbst zu treiben in der Lage ist!

Ein Letztes, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wir müssen dabei auch an die Qualität der zu liefernden Information denken. Der Herr Bundeskanzler hat in seiner


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