Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 109. Sitzung / Seite 71

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Rede (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen) – ich bin beim Schluss­satz –, gesagt, dass jeder Mensch in Österreich zum Zeitpunkt des Beitritts Österreichs zur EU gewusst habe, dass das EU-Recht dem nationalen österreichischen Recht vorgehe.

Herr Bundeskanzler, das ist ein Unsinn! Das hat natürlich nicht jeder Mensch gewusst! (Rufe bei der ÖVP: Nein, das stimmt nicht!) Und genau solche Behauptungen ärgern die Bevölkerung, daher sollte man sie unterlassen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abge­ordneten der Grünen.)

12.10


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Dr. Böhmdorfer. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Dr. Brinek – in Richtung SPÖ –: Wir haben das schon gemacht! Ich weiß nicht, wie das die SPÖ gemacht hat! – Ruf bei der SPÖ: In der ÖVP-Klubsitzung?)

 


12.10.24

Abgeordneter Dr. Dieter Böhmdorfer (Freiheitliche): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Außenministerin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! (Vizekanzler Gorbach: Alles Gute zum Geburtstag!) – Danke!

Wenn man diese Debattenbeiträge heute gehört hat, so könnte man glauben, dass, Österreich, wenn wir heute über diese Verfassung abstimmen – und ich schicke vor­aus, ich werde zustimmen –, dann aus einem finsteren, unentwickelten Tunnel heraus­tritt und endlich in das Licht der EU kommt, wo es Gott sei Dank endlich Rechte gibt, wo man sich Gott sei Dank endlich verwirklichen kann!

Also bei aller Euphorie für die EU und die damit zusammenhängenden Institutionen muss ich schon sagen: Ganz so ist es nicht! – Wir reden immer von der Geburtsstunde Österreichs und von unseren Jubiläen, die wir in diesem Jahr begehen, daher möchte ich einmal hier ganz deutlich Folgendes gesagt haben:

Österreich ist einer der am besten entwickelten Rechts- und Sozialstaaten. Wir haben all diese Rechte, die heute mehr oder weniger als neu dargestellt wurden, schon jetzt beziehungsweise wir könnten sie haben – wir bräuchten sie nur zu beschließen, dann, wenn wir sie uns leisten können. (Abg. Öllinger: Wir könnten sie haben!) So ist es wirklich nicht, dass wir die EU brauchen, damit wir uns rechts- oder sozialpolitisch fortentwickeln.

Der Herr Bundeskanzler hat allerdings richtigerweise gesagt: Wir können mit Hilfe dieser Verfassung in Europa mehr mitwirken – darauf kommt es an, und das muss man, glaube ich, in Zukunft trennen. Österreich sollen wir weiterentwickeln können, noch besser entwickeln können, und in der EU wollen wir besser mitarbeiten. Das war uns bisher verwehrt! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Hinsichtlich der Debatte über einen Angriff auf den Kern der österreichischen Verfas­sung muss man wirklich der Realität ins Auge schauen: Wir sind vor zehn Jahren der EU beigetreten und haben uns, wenn wir uns dafür interessiert haben, darüber infor­miert und haben gewusst, was auf uns zukommt. (Abg. Scheibner: Und auch immer gesagt!) Das muss man wirklich betonen! Wer es wissen wollte, hat es erfahren. Die Propaganda war relativ primitiv, das stimmt, man konnte sich jedoch auch zu anderen Informationen Zutritt verschaffen.

Jeder wusste jedenfalls, dass EU-Recht dem innerstaatlichen österreichischen Recht vorgehen wird. Mit der neuen Verfassung wird zwar wieder ein formaler Akt geschaf­fen, aber dieser formale Akt ist nicht grundsätzlich neu. Und deshalb gibt es keinen rechtlich wirklich zuverlässigen Grund, nicht zuzustimmen – das muss man auch


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