Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 110. Sitzung / Seite 49

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einfordern, über Ihre Regierungsvorlage, die Sie eingebracht haben, extra abzustim­men, nämlich über die gänzliche Abschaffung der Zweidrittelmehrheit. Wir werden dem zustimmen.

Sie haben beim Reformdialog auch klar gesagt, Sie treten dafür ein, für Sie gilt das. Ich frage: Wo ist Ihre Handschlagqualität? Wir halten das Angebot, hier mitzustimmen, aufrecht. Sie werden es nicht machen. Ihre eigene Regierungsvorlage abzulehnen ist ja zumindest etwas Neues, das kommt ja nicht so oft vor, aber auch das geht in diesem Haus.

Kommen wir nun zu dieser „wunderbaren“ Formulierung der „angemessenen Differen­zierung“. Ich gebe schon zu, dass das Interpretationsspielraum lässt. So, wie es formu­liert ist, sagen viele Verfassungsrechtler, wird es schwer werden, damit von der Schul­struktur abzugehen und zu einer gemeinsamen Schule zu kommen. Das würde ich eher teilen. Aber gehen wir es einmal anders an.

Stellen Sie sich Folgendes vor: Jemand möchte sich ein Auto kaufen. Er geht in ein Autogeschäft und sagt: Wissen Sie, ich hätte gerne ein für mich angemessenes Auto. Der Verkäufer und der Käufer vereinbaren, dass der Käufer ein angemessenes Auto bekommt. Am nächsten Tag geht der Käufer hin und möchte das Auto abholen, er freut sich auf seinen Porsche, der dort steht. Der Verkäufer aber sagt: Hier ist der Schlüssel für Ihren Lada, den können Sie jetzt mitnehmen! – Der Verkäufer meint, der Lada sei angemessen, der Käufer aber sagt, der Porsche sei angemessen. Die Frage ist, was eigentlich „angemessen“ ist.

Was würde man in solch einer Situation machen? Würden Sie wirklich diesen Vertrag unterschreiben? Das würde wahrscheinlich niemand machen. Jeder würde sagen, die­sen Vertrag gibt es nicht. – Die einen sind rausgegangen, die SPÖ, und haben gesagt, damit sei die gemeinsame Schule möglich, und die anderen, die ÖVP, sind rausge­gangen und haben gesagt, nicht möglich. Anstatt hier eine politische Klärung vorzu­nehmen, gehen Sie zum Verfassungsgerichtshof und lassen diesen entscheiden, was „angemessen“ ist.

Ich sage Ihnen, das ist das pure Versagen der Politik in diesem Haus. (Beifall bei den Grünen.)

Sie waren nicht in der Lage, eine Regelung zu schaffen, die Klarheit schafft. Dafür gibt es genug Zitate. Der Verfassungsrechtler Funk spricht von einem „erbarmungswürdi­gen Rest“, der hier im Haus abgestimmt wird – und ich halte es mit ihm. So kann und soll man Politik nicht machen.

Zum Inhalt, was wir uns vorstellen würden. Förderunterricht, ganz massiv und ganz zentral. Österreich braucht Förderunterricht für alle Schülerinnen und Schüler. Wir haben ein System, in dem es kaum Förderunterricht, kaum individuelle Fördermaßnah­men gibt. Individuelle Nachhilfe, private Nachhilfe ist das Schlagwort, an den Schulen passiert in diesem Bereich viel zu wenig.

Ich habe heute nicht viel von Finnland gesprochen, muss es aber im Zusammenhang mit dem Fördersystem. In Finnland sind 20 Prozent aller SchülerInnen während der Grundstufe, während neun Jahren, in Fördermaßnahmen, wo zusätzliche LehrerInnen im Einzelunterricht oder in Kleingruppen mit SchülerInnen arbeiten, die Probleme ha­ben; 30 Prozent in den ersten beiden Schulklassen, in den ersten beiden Schultypen. Und was ist das Ergebnis dieser Maßnahmen? Dass in Finnland am Ende der Schul­pflicht etwa 7 bis 8 Prozent der SchülerInnen ein Problem haben, wo man sagen muss, sie haben das Ziel der Schule nicht erreicht. In Österreich liegt dieser Prozentsatz bei 20. Diese 13 Prozent sind politisch, würde ich sagen, abänderbar, mit Maßnahmen, die man setzen kann.

 


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