Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 110. Sitzung / Seite 68

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12.06.42

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Es ist herrlich, das muss man sagen! Die Kollegen werden es nicht gehört haben – gerade der Kollege Cap sagt: Be­wegt euch endlich, dann geht was weiter, und wir kommen zu Reformen. Wunderbar! (Zwischenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Kollege Cap, ich möchte ja nicht sagen, dass du 30 Jahre gebraucht hast – nämlich 30 Jahre SPÖ-Regierung –, um zu dem Gedanken zu kommen, dass auch in der Bil­dungspolitik mit der Aufhebung der Zweidrittelmehrheit endlich etwas in Gang kommen muss. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Folgendes kann ich aber schon sagen: Du, Kollege Cap, hast fünf Jahre lang ge­braucht, um endlich einzugestehen, dass mit dieser Regierung jetzt endlich die Blo­ckade und der Stillstand in der Bildungspolitik der Vergangenheit angehören. Das sollte man durchaus auch hier anerkennend bemerken. Wenigstens nach fünf Jahren haben das auch die SPÖ und der Klubobmann eingesehen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Es ist dies richtig, und es ist jetzt zumindest einmal ein Ansatz vorhanden. Hier ist über einen großen Wurf et cetera diskutiert worden; na ja, ich und wir hätten uns gewünscht, dass wir wirklich ganz klar und deutlich gesagt hätten: Die Zweidrittelmehrheit hat im Schulbereich nichts mehr verloren, sie ist antiquiert, wir wollen sie nicht mehr. (De­monstrativer Beifall der Abg. Rossmann.)

Keine Frage, wir wollen einige Prinzipien, etwa das Recht auf Bildung, selbstverständ­lich im Verfassungstext, in der österreichischen Bundesverfassung verankert haben, ja! Aber alles andere – auch die Schulorganisation, meine Damen und Herren – hat im Verfassungsrang nichts zu suchen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist das doch überhaupt nicht einzusehen! Das Strafrecht ist Sache von Einfach­gesetzen, alle Sozialgesetze, natürlich mit massiven Auswirkungen auf den Einzelnen, sind Einfachgesetze, aber die Frage der Schulorganisation – ob es in einem Bundes­land ein Schulkollegium mit Landesschulräten und Funktionären gibt – kann ich auch in Zukunft nur mit Zweidrittelmehrheit abschaffen. Das ist antiquiert! Deshalb ist dies ein erster, ein wichtiger Schritt, aber hoffentlich und sicherlich nicht der letzte Schritt, um endlich diesen Stillstand, diese Blockade, diese Reste des alten Proporzes wirklich abzuschaffen und in Österreich ein modernes Schulrecht einführen zu können.

Wir werden diesen ersten Schritt selbstverständlich auch als solchen sehen, und wir werden nicht müde werden, darauf hinzuwirken, dass diesem ersten Schritt weitere wichtige Reformschritte folgen werden und folgen müssen. Denn es ist notwendig, meine Damen und Herren, dass wir das Schulsystem auf die Zukunft ausrichten. Nicht für sich selbst ist dieses System da, auch nicht für die Lehrer, die sind ein wichtiger Bestandteil – (in Richtung des gestikulierenden Abg. Broukal:) reden Sie nachher, Herr Kollege, ich habe heute ausnahmsweise nur fünf Minuten Zeit, um meine Ideen vorzu­bringen –, sondern es geht darum, auch das Bildungssystem so modern zu schaffen, so flexibel zu schaffen, darin so viele Wahlmöglichkeiten zu schaffen, dass unsere Jugend die notwendige Ausbildung für die Zukunft erhält.

Um diese Flexibilität – diese Wahlmöglichkeiten, aber auch die Differenzierungen – geht es uns, meine Damen und Herren: dass man nicht ausschließt, dass es eine gemeinsame Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen gibt, dass es eine gemeinsame Schule – so wie es jetzt den Schulversuch gibt – der Sechs- bis Fünfzehnjährigen geben soll. Ja, keine Frage, aber das darf nicht als die einzig mögliche Schulform für die Zukunft verordnet werden.

 


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