Der VfGH hat im
Erkenntnis G213/01, V62/01 die als verfassungswidrig erkannten Bestimmungen des
Volksgruppengesetzes und der Verordnung über zweisprachige Ortstafeln im
Dezember 2001 nicht sofort aufgehoben, sondern dem Gesetz- bzw. Verordnungsgeber
eine Frist bis 31. Dezember 2002 eingeräumt, um die Verfassungswidrigkeit
zu sanieren. Die Bundesregierung hat diesen klaren Auftrag des Höchstgerichtes
bisher jedoch völlig ignoriert, kein einziger Akt zur Umsetzung dieses Erkenntnisses
wurde bislang gesetzt. Dies ist eine bisher beispielslose Ignoranz gegenüber
dem Rechtsstaat. Dafür trägt aufgrund ihrer Untätigkeit nicht nur die
Bundesregierung, sondern vor allem auch der Kärntner Landeshauptmann die
Verantwortung, der sich nachhaltig weigert, das Erkenntnis des
Verfassungsgerichtshofes umzusetzen, dieses sogar als „null und nichtig“
bezeichnete und den Rechtsstaat und seine Repräsentanten verhöhnte. Jetzt
stellt sich heraus, dass die zuständigen Beamten außerstande sind, den
Ortsnamen „Žvabek“ richtig zu schreiben. Darüber hinaus hat der Kärntner
Landeshauptmann den Protesten einer kleinen Gruppe von Gegnern zweisprachiger
Ortstafeln sofort nachgegeben und den gemeinsam mit dem Bundeskanzler geplanten
Festakt in Neuhaus/Suha abgesagt.
Doch auch in
anderen Bereichen ist Österreich schon längst säumig: Mit Entschließung des
Nationalrats vom 14. Juli 1999 wurde die damalige Bundesregierung mit
großer Mehrheit – alle im Nationalrat vertretenen Parteien mit Ausnahme
der (damaligen) FPÖ stimmten zu – ersucht, nach Vorliegen eines
wissenschaftlichen Forschungsberichts über die Opfer der NS-Militärjustiz in
Österreich Gerichtsbeschlüsse über die Ungültigkeit von Verurteilungen nach
dem Aufhebungs- und Einstellungsgesetz, StGBl 48/1945, herbeizuführen. Die
Forschungsergebnisse von Univ.-Prof. Manoschek und seiner MitarbeiterInnen
liegen seit September 2002 vor und wurden im Juni 2003 anlässlich des
Symposions „Österreichische Opfer der NS-Militärgerichtsbarkeit – Rehabilitation
und Entschädigung“ im Parlament einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Die
Daten von insgesamt 1.618 Opfern der NS-Militärgerichtsbarkeit wurden dem
Bundesministerium für Justiz bereits im Herbst 2002 für die amtswegige
Aufhebung der Urteile zur Verfügung gestellt.
Im Österreich
der Zweiten Republik gibt es bis heute keine öffentliche Anerkennung für jene
ungehorsamen Soldaten, die sich der mörderischen Kriegsführung des NS-Regimes
verweigerten und dadurch ihren persönlichen Beitrag zum beschleunigten Untergang
des Hitler-Regimes leisteten. Deserteure, Selbstverstümmler, Kriegsdienstverweigerer,
Saboteure, Meuterer und angebliche Hochverräter streuten Sand ins Getriebe des
Vernichtungskrieges und waren aus diesem Grund auch am Wiedererstehen eines
freien, unabhängigen österreichischen Staates beteiligt. Dennoch wurde ihnen
bis zum heutigen Tage die ihnen gebührende Anerkennung und Respekt nicht
zuteil; vielmehr wurden sie in jenem Staat , der sich kollektiv als Opfer
Hitlerdeutschlands erklärte, von der Gesellschaft ausgegrenzt, zum Schweigen
verurteilt und als "Feiglinge", "Verräter" und
"Kameradenschweine" diffamiert.
Fahnenflüchtige
und andere Opfer der nationalsozialistischen Militärgerichtsbarkeit haben aber
nicht nur mit moralischen, sondern auch mit gravierenden straf- und sozialrechtlichen
Missständen zu kämpfen: Die zwischen 1938 und 1945 verhängten Urteile der
Wehrmachtrichter wurden bisher nicht pauschal und formell aufgehoben, und Zeiten
einer wegen Desertion verhängten Haft in Gefängnissen, Wehrmachtsstraf- oder
Konzentrationslagern konnten bisher grundsätzlich nicht als Ersatzzeiten in der
österreichischen Pensionsversicherung angerechnet werden.
Die NS-Militärjustiz war eines der Instrumente in einem Rassen- und Weltanschauungskrieg, deshalb war es notwendig und richtig, dass sich die Soldaten abwendeten. Die Spekulationen über die sehr unterschiedlichen individuellen Beweggründe der Fahnenflüchtigen sind nicht nur müßig, sondern inhaltlich falsch. Den Nationalsozialisten