Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 110. Sitzung / Seite 126

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schaft“ gerichtet war. Das trifft vor allem für die Wehrdienstverweigerer aus religiösen Gründen, von denen viele zum Tode verurteilt wurden, nicht unmittelbar zu. Eine Anwendung des Gesetzes ohne Berücksichtigung dieser individualisierenden Klausel, wie sie bisher erfolgte, ist rechtsstaatlich unbefriedigend. Die Befreiungsamnestie 1946 berücksichtigt zwar schematisch alle Urteile der Militär- und SS-Gerichte, nicht aber der Sondergerichte und der Zivilgerichte. Außerdem hat dieses Gesetz Gnadencharak­ter, was nicht einer Rehabilitierung entspricht. Die Betroffenen verdienen nicht Gnade, sondern Recht. Beide Gesetze sehen gerichtliche Überprüfungsverfahren in jedem Einzelfall vor, damit nicht nur die gesetzlichen Voraussetzungen überprüft werden, sondern auch das Zusammentreffen mit Allgemeindelikten abgeklärt wird, bei deren Vorliegen eine Straffestsetzung in einem neuen ordentlichen Verfahren einzuleiten ist. Das ist jedoch 60 Jahre nach Kriegsende praktisch unmöglich.

Die Gesetzeslage ist nicht in das Bewusstsein der Öffentlichkeit vorgedrungen. Allen­falls ist ihre Wirkungslosigkeit bekannt. Dem Vernehmen nach ist eine bloße Wieder­verlautbarung des Aufhebungs- und Einstellungsgesetz 1945 und der Befreiungsam­nestie 1946 und eine sogenannte „authentische Interpretation“ geplant . Dies ist jedoch keineswegs geeignet, eine angemessene Rechtssituation herzustellen. Darum wird der Ruf nach einer pauschalen Aufhebung ohne Einzelprüfung laut, so erst im Jänner dieses Jahres durch den Herrn Bundespräsidenten Dr. Heinz Fischer. Er fordert einen Akt der Gesetzgebung, durch den alle Urteile der Wehrmachtsjustiz „mit einer unserem heutigen Kenntnisstand entsprechenden Begründung“ aufgehoben werden. Aus diesen Gründen ist in Vollziehung der Entschließung des Nationalrats vom 14. 7. 1999 ein umfassendes, vereinfachendes neues Gesetzes über die Rehabilitierung von Opfern der NS-Strafjustiz erforderlich, das unter Einbeziehung der Rechtslage nach den bei­den bestehenden Gesetzen alle auf bestimmten nationalsozialistischen Gesetzen beru­henden Verurteilungen durch die NS-Strafjustiz generell aufhebt.

Der heute 83-jährige Wehrmachtsdeserteur Richard Wadani, der Sprecher des Perso­nenkomitees „Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz“, kämpft seit Jahren verdienstvoll um die Rehabilitierung und damit um die Würde der Opfer der NS-Militär­justiz und deren Hinterbliebenen. In einem bezeichnenden Briefwechsel mit dem Bun­desministerium für Justiz (9. November 2003) schließt Wadani mit folgenden Worten:

„Lassen sie mich zum Abschluss noch einmal auf die Befreiungsamnestie aus 1946 zu­rück kommen. Ich bin kein Jurist. Wenn ich aber im Duden nachschlage, finde ich unter Amnestie folgende Definition: „das Vergessen; die Vergebung; durch ein besonderes Gesetz verfügter Straferlass oder verfügte Strafmilderung für eine Gruppe bestimmter Fälle, bes. für politische Vergehen“. Es ist ganz bestimmt nicht so, dass das BMJ uns etwas „zu vergessen oder zu vergeben“ hat. Ich habe es als meine Pflicht gesehen, gegenüber diesem verbrecherischen Nazi-Regime den Fahneneid zu brechen und auf Seiten der Alliierten für die Niederlage der Wehrmacht, der Armee Adolf Hitlers, zu kämpfen. Das war meine persönliche Form des Widerstandes gegen den Nationalso­zialismus, ich habe meinen Teil für ein freies unabhängiges Österreich damit geleistet. Sorgen Sie jetzt dafür, dass uns endlich Gerechtigkeit widerfährt. Für einen Akt der Gerechtigkeit werden wir auf jeden Fall weiter eintreten. Wir betrachten die Rehabilitie­rung gewiss nicht als abgeschlossen.“

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1. 1995 haben Sie die Aussagen Dr. Jörg Haiders vor ehemaligen Waffen SS-Ange­hörigen als „ganz unerträglich“ bezeichnet, Haider war für Sie nichts anderes als ein "Wiederholungstäter". Im von Ihnen selbst ausgerufenen großen „Gedankenjahr 2005“


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