Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 110. Sitzung / Seite 138

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Bundesrat Kampl ist von seiner Funktion zurückgetreten. (Abg. Dr. Grünewald: Aber nicht wegen Ihnen!) Ich meine, das war die richtige Konsequenz.

Am 27. April hat der Herr Bundeskanzler dazu in seiner Rede im Rahmen des Staats­aktes in den Redoutensälen wörtlich festgehalten – ich zitiere:

„Und daher ist für mich und hoffentlich für uns alle klar, dass, wer die Gräuel des natio­nalsozialistischen Regimes verharmlost und die Existenz von Lagern, von Gaskam­mern relativiert, nicht in unsere Institutionslandschaft passt.“ – Zitatende. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Eindeutiger kann man sich zu der von Ihnen aufgeworfenen Frage nicht äußern!

Zu den Fragen 4 bis 8:

Ich möchte dazu – auch wenn es aus der Distanz von 60 Jahren nicht in jedem Einzel­fall möglich sein wird, individuelle Beweggründe zu erforschen – außer Streit stellen, dass vor allem in der Endphase des Zweiten Weltkrieges Deserteure aus der Deut­schen Wehrmacht in der ganz überwiegenden Zahl aus anerkennenswerten Motiven gehandelt haben.

Dass dies zum Grundkonsens der Zweiten Republik zählt, zeigen auch die in der unmittelbaren Nachkriegszeit erlassenen gesetzlichen Maßnahmen, nämlich das so genannte Aufhebungs- und Einstellungsgesetz: Ich meine damit das Gesetz vom 3. Juli 1945 über die Aufhebung von Strafurteilen und die Einstellung von Strafverfah­ren, Strafgesetzblatt Nr. 48/1945, die darauf basierende Verordnung vom 5. September 1945 sowie schließlich die so genannte Befreiungsamnestie, Bundesgesetz vom 6. März 1946 über die Einstellung von Strafverfahren, die Nachsicht von Strafen und die Tilgung von Verurteilungen aus Anlass der Befreiung Österreichs, Bundesgesetz­blatt Nr. 79/1946 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 192/47. (Abg. Dr. Gla­wischnig: Könnte man nicht Ihr Manuskript verteilen? Dann müssten Sie das nicht vorlesen!)

Durch diese auch heute noch unverändert in Kraft stehenden Gesetze sind die Un­rechtsurteile gegen Wehrmachtsdeserteure der NS-Zeit rechtlich aufgehoben und wurden die von diesen Urteilen betroffenen Personen rechtlich rehabilitiert. In diesem Sinne ist daher auch die vom Bundesministerium für Justiz vertretene Rechtsauffas­sung zu verstehen, wonach zusätzliche gesetzliche Regelungen zur Rehabilitierung von Wehrmachtsdeserteuren nicht notwendig sind.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang aber auch daran, dass sich der Nationalrat bereits seit mehreren Jahren mit dieser Problematik befasst und in diesem Zusammen­hang auch eine – in Ihrer Anfrage auch zitierte – Studie erstellt wurde, die mit folgender Feststellung schließt – ich zitiere:

„Da der österreichische Gesetzgeber die Frage der Beseitigung von Urteilen der NS-Militärjustiz bereits einer umfassenden Regelung zugeführt hat, erscheinen neue ge­setzliche Maßnahmen nach dem Vorbild des deutschen NS-Aufhebungsgesetzes nicht mehr erforderlich. Davon unberührt bleiben freilich allfällige politisch-moralische Akte zur weiteren Aufarbeitung dieser Problematik.“ – Zitatende.

Ich glaube in diesem Sinn, dass man gerade im Gedankenjahr 2005 diese Problematik nicht auf eine rechtliche Fragestellung reduzieren darf. Der Herr Bundeskanzler ist daher auch, um allfällige Zweifel an der Richtigkeit der geschilderten Rechtsauffassung zu beseitigen, mit dem Herrn Bundespräsidenten einer Meinung, dass es angezeigt wäre, Urteile der deutschen Kriegsgerichte gegen Deserteure durch einen symboli­schen Akt des Gesetzgebers im Sinne einer authentischen Interpretation außer Kraft zu setzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

 


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